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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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entwarf er auf der Grundlage der ersten Kapitel
     von ›Ein Kampf um Rom‹ 1884 eine Tragödie über das Spätlingsschicksal des lebensuntüchtigen Athalarich, 26 erkannte hinter der germanischen Verkleidung also durchaus Phänomene eines spezifisch ›modernen‹ Bewußtseins. Nicht anders
     verhält es sich noch in seinem ersten »sozialen Drama« ›Vor Sonnenaufgang‹ (1889). Gegen die Lektüre von »Schwächlingen«(wofür Goethes »Werther« herhalten muß), empfiehlt der sozialreformerische Agitator Alfred Loth hier den Völkerwanderungsroman
     als programmatisch zukunftweisendes Buch: »Es malt die Menschen nicht, wie sie sind, sondern, wie sie einmal werden sollen.
     Es wirkt vorbildlich.« 27 Und wenn einige Jahre später Hermann Sudermann mit Szenen ausgerechnet um den illusionslosen letzten Gotenkönig seinen Einakter-Zyklus
     ›Morituri‹ (1896) eröffnete, steckte darin keineswegs bloß eine ironische Distanz, auch wenn die Sentenz, mit der er Teja
     zuletzt dem Untergang entgegenschreiten läßt – »Es ist schad’ um uns« – dies auf den ersten Blick nahelegen könnte. 28
    Von solchen allerdings prominenten Ausnahmen abgesehen war Dahn zu dieser Zeit für die Generation der Naturalisten, deren
     »Unflath« (eher von Hörensagen als durch genauere Kenntnis ihrer Arbeiten) umgekehrt ihm ein Greuel war, 29 freilich schon zur beliebten Zielscheibe der Kritik geworden. Ungeachtet teilweiser Anerkennung der »poetischen Kraft« gerade
     des ›Kampfes um Rom‹ galt dessen Autor als das Symbol eines epigonalen Kunstverständnisses der Väter, die man durch Darstellung
     ungeschminkter Lebenswirklichkeit überwinden wollte. Die neuen Vordenker beanstandeten das »Unwahre« und »Zerfahrene« (Carl
     Bleibtreu) 30 im »Quark« (Arno Holz) 31 der »bombastischen Runzelhaut« (Michael Georg Conrad). 32 Bei Vertretern anderer Strömungen der literarischen Moderne wurde derlei Spott noch weiter getrieben: »Der grimmige Recke
     im Wotanhute« (Otto Julius Bierbaum), 33 »eine Eiche im Teutoburger Dichterwald« (Karl Kraus), 34 sank zunehmend zum skurrilen Lieferanten bloßer »Marktware« (Herwarth Walden) ohne literarischen Wert ab. 35 Während der einst so zeitgemäße Nationalpoet – der sich selbst übrigens nur für einen »Dichter dritten Ranges« 36 hielt – als Verfasser des »Lieblingswerks der deutsch fühlenden Jugend« 37 nicht nur bei dieser und bei einem literarisch weniger wählerischen Publikum (zu dem später wohl auch Hitler zählte) 38 weiterhin in hohem Ansehen stand, begann er aus dem Gedächtnis der Intellektuellen gründlich zu verschwinden. 39 Allenfalls für unrettbare Trivialität stand hiernoch sein Name, Arnold Zweigs freundliche Reminiszenz einmal außer acht gelassen. 40
    Kafkas Briefe erwähnen ihn am Rande und abschätzig, 41 für Tucholsky bot er nur mehr Anlaß zu einem despektierlichen Stabreim: »doof wie Dahn« eben, 42 und im Rückblick auf seine Oberprimaner-Zeit im Sommer vor der ›Machtergreifung‹ klingt es bei jemandem wie Arno Schmidt
     mit seinen intellektuellen Ansprüchen noch drastischer: »›Felix Dahn‹?: da kann ich nur frech und abfällig rotzen!« 43 Wenn Georg Lukàcs in seiner 1936   /   37 entstandenen großen Studie ›Der historische Roman‹ aus alledem den Schluß zog, »nach zehn Jahren erinnern sich nur noch
     fleißige Philologen, daß es irgendwann einen sehr berühmten Schriftsteller wie Felix Dahn überhaupt gab«, 44 schätzte er allerdings sowohl die subliterarisch fortwirkende Popularität des ›Kampfes um Rom‹ falsch ein, als auch die Neigung
     der Fachwissenschaft, sich mit derlei ernsthaft überhaupt noch befassen zu wollen. Lion Feuchtwanger war es dann, der solchem
     allzu kurzen Prozeß gegenüber immerhin sachte Bedenken geltend machte. »Zu Unrecht mißachtet« fand er in seiner Fragment gebliebenen
     Untersuchung über »Größe und Grenzen der historischen Dichtung« 1958 jene Autoren des späten 19.   Jahrhunderts vom Schlage Dahns mit ihrer »sonderbaren Mischung zwischen Kunst, Kitsch und Gelehrsamkeit«. 45
    Nimmt man noch die exponierte Stellung dieses Autors in seiner Epoche hinzu, so könnte es sich hierbei in der Tat noch immer
     um die glückliche Formel für ein künftiges Erkenntnisinteresse handeln, das differenziertere Annäherung nicht nur an den ›Kampf
     um Rom‹ ermöglichen würde, jenen ominösen Klassiker in Anführungszeichen, 46 sondern an das »Phänomen« 47 Felix Dahn insgesamt: eine

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