Ein Kampf um Rom
Nacherzählung« eines Oberstufen-Schülers
geweckt. 5 Ebenso genau wie lebhaft erinnert sich Hilde Domin: »Mein erstes großes Leseerlebnis war (. . .) ›Ein Kampf um Rom‹. Ich
erwischte es auf einer Fahrt mit einem älteren Vetter, es wurde mir weggenommen, weil ich noch zu klein war. Jahr um Jahr
wünschte ich esmir zum Geburtstag. Als ich es endlich erhielt, mit zehn oder elf, las ich sofort weiter, wo ich aufgehört hatte. Ich glaube,
es war auf Seite 47, jedenfalls in dem ominösen Badezimmer, in dem Amalaswintha ertränkt wird.« 6 Und erst jüngst hat Marcel Reich-Ranicki darauf verwiesen, welche besonderen Qualitäten für die Nachhaltigkeit verantwortlich
waren, mit der ›Ein Kampf um Rom‹ ihm präsent blieb: »ein mit Kontrasteffekten glänzend operierendes Riesenfresko, dessen
Figuren sich mir, gewiß nicht zufällig, am stärksten eingeprägt haben (. . .)«. 7
Noch als Ende 1968 Robert Siodmaks zweiteiliger Kolossalfilm in die Kinos kam, der mit einem für deutsche Produktionen bis dahin beispiellosen
Aufwand realisiert wurde – unter Mitwirkung von nicht weniger als 150 000 Komparsen 8 –, konnte er die Zugkräftigkeit des Titels risikolos voraussetzen, 9 welcher Assoziationen an einen spannenden Schmöker wachrief. Selbst bis in die Gegenwart hinein mögen diverse Bearbeitungen
manchem Heranwachsenden zur intitialen Entdeckung der Lüste des Lesens verhelfen. Und dennoch handelt es sich bei alledem
nur mehr um ein spät nachhallendes Echo des Ausmaßes der einstigen Beliebtheit dieses Romans, dessen erste Keimzelle ihrerseits
auf die Phantasie eines lesenden Kindes zurückgeht, das sich »ganz besonders gern« in die Rolle des »Königs Teja auf dem Vesuv«
hineinträumte. 10
Der öffentlichen Geltung nach gehörte Felix Dahn zum literarischen Establishment der Gründerzeit des neuen Reiches nach 1871,
war er einer ihrer »repräsentativen« Autoren. 11 Seine herausragende Stellung belegen nicht nur die stupenden Verkaufszahlen seiner zahlreichen und »wahrlich nicht billigen« 12 Bücher – deren populärstes, eben ›Ein Kampf um Rom‹, es bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs in zwei verschiedenen Ausgaben
auf insgesamt 126 (!) Auflagen gebracht hatte. 13 Gleiches bestätigen Stichproben aus dem Bereich einer für die faktische Breitenwirkung damals noch wichtigeren Institution,
den Leihbibliotheken, wo der Roman stets zu den Gefragtesten gehörte, in der Regel gemeinsam mit Titeln anderer Publikumslieblinge
wie Gustav Freytag, Eugenie Marlitt, Georg Ebers oder Joseph Viktor von Scheffel, wogegen jene Autoren,die heute den Kanon der Epoche bilden, nur eine nachgeordnete Rolle spielten. 14
Trotz durchaus zwiespältiger, ja sogar kraß ablehnender Kritiken bei ihrem Erscheinen 15 war Dahns Gotensaga umgehend »in jedermanns Händen«, 16 befand sich ihr Verfasser jahrelang »an der Spitze unserer deutschen Hauspoeten«, 17 mit weiter Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein, vermittelt nicht zuletzt über die Schule. 18 Ganz offensichtlich traf der (bald schon von anderen nachgeahmte) 19 Autor in besonderer Weise Geschmacksbedürfnisse und Befindlichkeiten des deutschen Bürgertums. Studentische Korporationen
feierten ihn als »nationalen Herold«, 20 unter der politischen Elite zählten Kronprinz Friedrich Wilhelm, Moltke und der preußische Kriegsminister Verdy Du Vernois
zu seinen Bewunderern, 21 ja selbst Bismarck spendete ihm Lob: ›Ein Kampf um Rom‹ sei »das seit vielen Jahren einzige Buch« gewesen, »das er zweimal
gelesen« habe. 22
Respekt brachten ihm aber auch Kollegen entgegen, 23 deren Ruf sich bis heute als wertbeständiger erwiesen hat als der seine. Ein so skrupulös kunstbewußter Autor wie Conrad
Ferdinand Meyer würdigte Arbeiten von Dahn in drei langen Rezensionen, nannte ihn einen »reichbegabten und mit vollen Händen
spendenden Dichter« von »makelloser (. . .) Technik« und »bestechender Form«. 24 Unter seiner Lyrik – die um die Jahrhundertwende sowohl Richard Strauss wie Max Reger oder Franz Schreker zu Vertonungen
inspirierte – fand er »Meisterstücke von gewiß unvergänglichem Wert«. Vielversprechende Talente ließen sich durch Dahn anregen.
Dies gilt für Christian Morgenstern, dessen hektographierte Zeitschrift »Deutscher Geist« (1892) unter dem Einfluß seines
damaligen akademischen Lehrers entstand, 25 wie schon früher für Gerhart Hauptmann. Begeisterter Dahn-Leser auch er,
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