Ein Kampf um Rom
berauschte mich mit nie gekanntem Entzücken (. . .) Diese Stunden der äußersten
Gefahr (. . .) sind – nahezu! – die glücklichsten, die begeistertsten meines Lebens gewesen.« 65
Kriege an sich erschienen dem Darwin-Adepten nicht nur unvermeidlich, mit Moltke betrachtete er sie auch als Schule zur Ausbildung
»gewisser allerhöchster Mannestugenden«. 66 Dennoch blieben seine Schilderungen im einzelnen durchaus ambivalent. Einerseits empfand er zwar »helle Freude« über den
Feldzug, verbrämte ihn gar zu einem »Kunstwerk« in »höchster ästhetischer Vollendung« – und verschwieg dennoch nicht dessen
zutiefst grauenvolle Wirklichkeit: »Ja, der Krieg ist schrecklich. Wer ihn gesehen hat, wird ihn nicht,– auch einen sieghaften
nicht –, herbei wünschen.« 67 Einerseits begleitete er die Kampagne und ihren Ausgang mit (sich unter den Soldaten rasch verbreitenden) »Victoria«-Gedichten,
in denen auch die moralischen Fronten klar sind: »Dort wälscher Trug und wälsche Tücke,–/ Hie deutsche Treu und deutsche Kraft.«
Gleichermaßen aber tadelte er Beispiele von »Verwilderung« oder »schroffer Verletzung des Kriegsrechts« auf der eigenen Seite
und fand »die Feindschaft zwischen Deutschen und Franzosen tief beklagenswerth (. . .), weil beide große, reich begabte Völker
sich so vortrefflich ergänzen«. 68
Im Sommer 1872 gab eine Berufung nach Ostpreußen Dahn die Gelegenheit auch zum privaten Neubeginn. Mit dem »Glück meines Lebens«,
der Heirat mit seiner Geliebten, begründete er hier eine (wie er es nannte) »bescheidene, aber feste Stellung in Dichtung
und Wissenschaft«. 69 Sechzehn Jahre lang lehrte Dahn an der Königsberger Universität, 1877 / 78 amtierte er als deren Rektor. Seine Betriebsamkeit war scheinbar unerschöpflich. Neben einem umfangreichen Pensum in den
juristischen Hauptfächern, dazu in Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte, verfaßte der »erfolgreiche Schriftsteller«, zu
dem er »erst seit 1876«, mit dem Erscheinen des ›Kampfes um Rom‹, wurde, eine Fülle literarischer Werke (die am Ende insgesamt
25 Bände füllten). Unter den Romanen und Erzählungen, welche fast ausschließlich in germanischem Umfeld angesiedelt sind, waren
ihm ›Sind Götter?‹ (1874) und ›Odhin’s Trost‹ (1880), die beiden gelungensten, als exemplarische Summe seiner Weltanschauung
besonders wichtig. 70 Mit weit weniger Anklang versuchte er sich hingegen als Verfasser vaterländischer Historiendramen.Eine (allerdings gewichtige) Ausnahme stellt allenfalls sein »Dem deutschen Reich« zugeeignetes Trauerspiel ›König Roderich‹
(1875) dar. Dessen Polemik gegen die vorgeblich von jeher das staatliche Machtmonopol unterminierende katholische Kirche machten
es – gegen seine Absicht, aber nicht ohne Grund – zum aufsehenerregenden »Tendenzstück« (C. F. Meyer) der Kulturkampfzeit. 71 Richard Wagner, in dessen Kunstbestrebungen er mythologische Gleichgestimmtheit vermutete, 72 widmete er eines seiner Opernlibretti. Die Nacherzählung ›Walhall. Germanische Götter- und Heldensagen‹ (1884) schließlich
war ein gemeinsames Unternehmen mit seiner Frau.
Hinter alledem stand der (teilweise auch für ein breiteres Publikum konzipierte) wissenschaftliche Ertrag keineswegs zurück.
Seit 1880 erschien eine vierbändige ›Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker‹ (1880 / 89), flankiert von einer jeweils zweibändigen ›Geschichte der Völkerwanderung‹ (1880 / 81) und einer (bis 814 reichenden) ›Deutschen Geschichte‹ (1883 / 84). Neben weiteren umfangreichen Arbeiten zu historiographischen und juristischen Themen, darunter einem ›Deutschen Rechtsbuch‹
(1877), benötigte Dahn weitere sechs Bände, um seine kleineren Studien verschiedenen Inhalts herauszugeben (›Bausteine‹, 1879 / 84).
»Ich habe«, führte er zu seiner strengen Arbeitsaskese aus – jenem »wirklich oft Menschenkraft übersteigenden Abmühen« – »vom
vierzehnten Jahr an täglich meist mehr als zwölf, sehr oft mehr als vierzehn Stunden gearbeitet, richtiger gesagt mit Ausnahme
von sieben Stunden Schlaf und sehr knapper Essenszeit (von allerhöchstens einer halben Stunde)– in Wahrheit den ganzen Tag.« 73 Eine ihm angetragene Kandidatur für den Reichstag lehnte der entschiedene Gegner der »Socialdemokraten«, der anderen freilich
»nicht ›conservativ‹ genug« war, 74 ab (wie er dies schon
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