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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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wird. Geschichtliche Prozesse sind letztlich nicht zu steuern. Entschieden werden sie vielmehr durch »eine
     höhere Gewalt, die unentrinnbare Notwendigkeit«, vor der »unser Denken« kapitulieren muß (V.2   /   24).
    In verschiedenen Motivsträngen durchzieht diese Stimmung das gesamte Werk: von suggestiven Vorzeichen (I.1; V.1   /   1) undAhnungen (V.1   /   4; VI.2   /   18.   30.   40) bis hin zum Modell einer organologischen Gesetzmäßigkeit, die auf in die Antike zurückreichende Traditionen zurückverweist:
     ihr zufolge haben »die Völker« alle »ihre zugemessene Zeit«: sie blühen, reifen und vergehen (III/21).
    Aufgrund einer immanenten Kausalität jedenfalls ist über die Goten das große »umsonst« (V.1   /   17) unabwendbar verhängt. Alle Anstrengungen, dieses »Todesschicksal« (C.F.   Meyer) 108 zu verhindern, sind von vornherein zwecklos. Athalarich, »müde« und früh durch »Schmerz« gereift (I/5), schwant hellsichtig,
     daß das Reich »schon verurteilt in den Sternen« sei (II/11): eine Formulierung, die bei Teja, der seinerseits vom Mutterleib
     an das Stigma des »Unheils« (IV/2) trägt, fast wörtlich wiederkehrt (V.1   /   17). Wie im Falle Homers (V.2   /   3), als Paradigma für den Dichter überhaupt, verbindet sich seine poetische Sehergabe zwangsläufig mit »schwarzen« Träumen
     (VI.2   /   31; vgl. VI.2   /   1.28; VII/3) und Visionen (VI.2   /   1) des »Unvermeidlichen« (VI.2   /   2; vgl. I/1; VI: 2   /   3).
    Der menschliche Wille ist, wie Cethegus zynisch auftrumpft, »so frei wie der geworfne Stein, der sich einbildet, er könne
     fliegen«. (VI.2   /   22; vgl. VI.2   /   8; VII/1). Und es existiert keine Instanz, die helfend, Gerechtigkeit herstellend eingreifen könnte. Einen allmächtigen, barmherzigen
     Gott, der für die Gebete der Menschen erreichbar wäre (VI.2   /   2.22), gibt es nicht. Fromme Hoffnungen auf seinen Schutz werden gleich reihenweise desillusioniert: die der Witwe Arria (V.1   /   3.5) ebenso wie die Mataswinthas (V.2   /   2), die von Rauthgundis (V.2   /   26) nicht anders als (gleich zweifach) die des Julius Montanus (VI.2   /   17.37), schließlich auch die Totilas (VI.2   /   34; vgl. V.2   /   15), dessen Vertrauen auf ein gerechtes »Gottesurteil« sich gegen ihn selbst und sein ganzes Volk kehrt (VII.6): Der Himmel,
     der über dem Feld der Entscheidungsschlacht »drohend und still: wie die Notwendigkeit« steht (VI.2   /   30), bleibt notorisch »leer« (V.2   /   26; oder »taub«: VI.2   /   30) angesichts des »unverdienten Elends« und »schuldlosen Leidens« (V.2   /   15), der Goten, das Witichis beklagt. (Nur der Knecht Wachis, der »vom lieben Gott (. . .) nicht glauben« will, daß ihre Frauen
     und Kinder wirklich Massenselbstmordverüben müssen (VII/8) behält recht – allerdings aus anderen Gründen!) Ja, wenn es einen Gott gäbe, dann wiesen ihn die auf
     seiner Welt herrschenden Zustände als ein »teuflisch grausames Gespenst« (VI.2   /   32) aus, dem gegenüber man sich rebellierend verhalten müßte, »Sturm laufen« (V.2   /   15), wie Hildebad meint. Der Untergang der Goten wird so bewußt zur negativen Theodizee erhoben (VI.2   /   35).
    Sich dieser Einsicht menschlicher Verlorenheit zu stellen, ist »unendlich schwer«: »zu schwer für Menschenkraft« erscheint
     sie selbst Totila (VI.2   /   35). Welche praktischen Folgerungen daraus abzuleiten sind, bilanziert stellvertretend Prokop: »Aber den rechten Mann macht
     das nicht irre. Denn nicht
was
wir ertragen, erleben und erleiden –
wie
wir es tragen, das macht den Mann zum Helden.« (V.2   /   24). Diese Handlungsmaxime erschließt das innerste Zentrum von Dahns didaktischer Absicht, die bereits im Motto des Romans
     anklingt. An Cethegus und Teja veranschaulicht er zwei antagonistische Modelle für ihre Konsequenz.
    Cethegus ist der kalte »Geistesheld« (VII/11), der »stolze Verachtung gegen Gott und seine Welt« (I/3) zur Schau trägt. Provozierend
     nimmt er den »Wahnsinn des Zufalls« an, »der die Welt regiert« (III/6; I/4; vgl. VI.2   /   38), indem er sich der Verfallszeit nicht nur des Römertums (II/2; VI.2   /   8) entgegenstemmt. Was er sich vorgenommen hat, ist nichts geringeres, als die leere Stelle des Weltenschöpfers auszufüllen
     (III/2; VI.2   /   22). Voller Ungenügen an den natürlichen Grenzen des Menschen, will er sie auf nie dagewesene Weise überschreiten:

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