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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Dahn,
     der die tragischen Ereignisse mit dem Wissen seiner Gegenwart deutet, am Ende als sichere Gewähr für eine (macht)politische
     Wiederkehr der Germanen (VII/16). Teja setzt Stämme »jenseits der Berge« zu »Erben und Rächern« der Goten ein (VII/6). Auf
     seiten der Gegner verhält es sich übrigens nicht anders. Auch Cethegus ist sicher, daß nach »langen Jahrhunderten (. . .)
     drückender Fremdherrschaft« die Befreiung des »geheiligten Bodens« kommen werde, für den er in den Tod geht (VII/14) – wie
     im Risorgimento dann tatsächlich geschehen. Die »heroisch-tragische Weltanschauung« redet also nicht dem fatalistischen Ausstieg
     aus der Historie das Wort.
    Ebenso wichtig wie die Annahme des Scheiterns ist demnach die Bereitschaft des Individuums, sich radikal seinem Volk unterzuordnen,
     das, wie Dahn in seinen Werken einzuschärfennicht müde wird, allen anderen Bindungen gegenüber das »höchste Gut« überhaupt darstelle und bedenkenlose Totalhingabe fordere
     (I/1; vgl. V.2   /   3; VI.2   /   35; VII/8): 126 so, wie sie Teja durch den Tod besiegelt. In vorbildlicher Weise bringen auch Witichis und Rauthgundis diesem alles vereinnahmenden
     Anspruch ihr individuelles Glück zum Opfer (IV/14; V.1   /   1.   14.   15.17; V.2   /   1.   2.   4.20) und gehen deshalb in das kollektive Gedächtnis der poetischen Überlieferung ein (VI/23).
    Unverkennbar handelt es sich bei diesem Bewußtsein um ein Säkularisationsprodukt – wie überhaupt, Dahn zufolge, der sich auf
     Leserzuschriften beruft, in seiner Sicht des Daseins »viele, viele den Trost gefunden haben, den ihnen der verlorene Kirchenglaube
     zu spenden nicht mehr vermochte«. 127 Das Volk wird zu einem mit religiösen Weihen ausgestatteten Ersatzmythos aufgeladen, der für den einzelnen, sofern er sich
     uneingeschränkt nach dieser ihm vorgegebenen Ganzheit ausrichtet, Lebenssinn stiftet (und dem an individueller Erlösung orientierten
     Christentum überlegen zu sein behauptet). 128 Daß man selbst ›nichts‹, sein Volk aber ›alles‹ sei, wurde zum Leitbild aller autoritär-kollektivistischen Systeme der Moderne,
     zu dessen Popularisierung auch dieser Roman beigetragen hat, zum Credo der Ära des Nationalismus mit blutigen Spuren bis in
     die unmittelbare Gegenwart hinein.
    Sehr offensichtlich ist Dahn darum bemüht, den Strudel der Ereignisse, die zum Untergang der Goten führen, einem ebenso ungerechten
     wie unabwendbaren Verhängnis anzulasten, als dessen entscheidende Äußerung ihm der »Übertritt des Römerthums auf die Seite
     von Byzanz« erscheint. 129 Gleichwohl läßt der Text vereinzelt durchblicken, daß den Scheiternden mehr als nur »Glück im Schicksal« (II/7) fehlt. Auch
     jenseits von »tausendfachem Verrat« und »dumpfer Übermacht der Zahl« (VII/6) und nachvollziehbarer als die Mystifikation vom
     germanischen Todestrieb (der zufolge ihre »tragische« Sehnsucht nach der »fremden Welt« des »ewig lockenden« Südens« – »eine
     Gewalt im Herzen, die stärker als Verstand und Wille« ist – die »törichten Helden« schließlich notwendigerweise »sehenden
     Auges ins Verderben reißt« (II/7)), registriertder aufmerksame Leser jedenfalls (wenn sie auch nur in verhaltenen Untertönen angedeutet sind), ganz andere Ursachen für den
     Zusammenbruch des Germanenreichs, die sich der betriebenen Idealisierung widersetzen und nicht ohne weiteres vom Schicksalsbegriff
     überwölben lassen.
    Da ist zunächst einmal die innere Entzweiung der Goten (II/4; V.2   /   1; vgl. IV/7.8; V.1   /   6.14; VI.2   /   7.19) bis hin zum Kampf »gegen die eigen Volksgenossen (. . .) unter Belisars Fahnen« (V.2   /   19; vgl. VI.1   /   7). Da ist ihre allzulange Fixierung auf einem vernunftwidrigen dynastischen »Bluts«-Mythos noch während der akuten Bedrohung
     von außen (IV/1.6; vgl. V.1   /   14; auch II/4). Da ist ihr »barbarischer Hochmut« der Geringschätzung aller Feinde (II/4; IV/9). Und da sind schließlich ihre
     strategische »Dummheit« (V.1   /   11) sowie die unzulängliche Gefechtsordnung, die sie mit »Kampfgier« und »Ungestüm« zu kompensieren versuchen, in denen der
     begabtere Totila nicht von ungefähr »Germanenfehler« sieht (VI.2   /   28). Selbst der Plan des Narses – »Germanen duch Germanen zu verderben« (VI.2   /   7; vgl. VI.2   /   25; was deren überlegene Kraft allerdings bestätigt)   –, geht nur deshalb auf, weil den Goten ethnisch

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