Ein Kampf um Rom
aussetzt, (und) die Trostlosigkeit (. . .) unverleugnet annimmt«. 119
Bei Dahn verbindet sich solche trotzig-kämpferische Akzeptanz des über einen verhängten »Unheils« (VI.1 / 1) mit der bedingungslosen völkischen Hingabe bis zur Todesbereitschaft. 120 Obwohl er, mit Bezug auf die Stimmung nordischer Heldenlieder, 121 diese Haltung dezidiert im Germanischen verortet, gehen seinem Protagonisten rein äußerlich bemerkenswerterweise alle herkunftsspezifischen
Züge ab: Der weltschmerzlich »einsame« und »schwermütige (. . .) düstere Held« – »nur im Kampfe lachte er manchmal« (VII/1)
– hat nicht »dieselben Goldlocken« und »dieselben hellen, blitzenden Augen« wie alle Stammesangehörigen (IV/12), sondern »glänzendschwarze«
Haare und »melancholische dunkle Augen«, dazu»hochgeschweifte (. . .) Brauen« und eine »Adlernase« (I/1)– was übrigens bei dem alten Juden Isak beides ausdrücklich als
Kennzeichen »seiner Rasse« bezeichnet wird (III/22) –: eine Parallele indes, die kaum beabsichtigt sein dürfte. 122 Immerhin zeigt sie aber, wie Dahn beabsichtigte Eindeutigkeiten im Detail selbst unterläuft.
Zu verhindern, daß man erliegen werde, steht nicht in der eigenen Macht. Von Anfang an weiß Teja, daß es für die Goten kein
gutes Ende geben wird. Dennoch steht für ihn außer Frage, was angesichts dieser Situation geboten ist: »Kämpfen wollen wir,
daß man es nie vergessen soll in allen Tagen: kämpfen mit höchstem Ruhm, aber ohne Sieg.« (I/1; vgl. V.1 / 17; auch V.2 / 22). »Herrlich sterben« (VI.2 / 40) und »Glorreich untergehen« (VII/3.14) lauten die Parolen seiner Regentschaft. Ihre evidente Aussichtslosigkeit verstärkt
nurmehr »die Kraft (des) Widerstandes« (VI.1 / 1).
Derlei ist natürlich weit mehr als nur ein besonders schroffer Vorgriff auf die (neo)romantische Lust zum Tode, für die die
Literatur der Jahrhundertwende eine grassierende Vorliebe zeigen sollte. Der Verklärungsaufwand gilt vielmehr einer Ideologie,
die, statt zu »bitten« (VII/15) oder zu »jammern« (VII/8), notfalls den Untergang des gesamten Volkes dem Verlust der Freiheit
vorzuziehen bereit ist. Ja, der Kampf »bis ans Ende« (VI.2 / 40), »bis zum letzten Mann« (VII/16), »um den freien Heldentod« (VI.2 / 40; vgl. VII/8), der vor »Schande« und »Sklaverei« bewahrt (VII/6), wird in den Schlußkapiteln des Romans geradezu als ekstatisches
Erlebnis gefeiert, und nur andeutungsweise relativiert, insofern die »in der Geschichte der Völker unerhörte Tat« letztlich
einem »Verzweiflungsgedanken« entsprungen sowie »grauenhaft« sei (VII/14).
Als König Harald die »todverfallnen« Goten auffordert, auf seinen Schiffen in die nordische Heimat zurückzukehren, findet
Teja den Rat zwar »weise«, will sich jedoch nicht an ihn halten, denn »oft ist die Torheit süßer als die Wahrheit. Und großartiger«.
(VI.2 / 19). Diese Sympathie mit dem Irrationalismus findet ihre Erfüllung in einer rauschhaften Erotik des Todes. Vor dem letzten
Kampf weiht sich Teja festlich dem Ende,indem er seinen Helm mit einem Zypressenzweig umwindet (VI.2 / 39; vgl. VII/15).
Solche Vorstellungen fördern ein fatales Handlungsmuster des tragischen Heroismus zutage. In die Politik übersetzt hat Dahn
es selbst. Als das Gerücht umging, Rußland, Frankreich und Italien hätten Deutschland den Krieg erklärt, dichtete er 1859
ein ›Deutsches Lied‹: »Ein zweiter Kampf der Nibelungen sei unsern Feinden angedroht / (. . .) Die Erde soll im Kern erzittern, wann fällt ihr tapferstes Geschlecht:/ So soll Europa stehn in Flammen bei der
Germanen Untergang!« 123 Über die Langemarck-Propaganda nach 1918 bis zu den nationalsozialistischen Durchhalteparolen im ›Totalen Krieg‹ zeitigte,
wie man weiß, diese Rhetorik von dem bis zur Selbstvernichtung kämpfenden Kollektiv katastrophale Folgen in der deutschen
Geschichte. 124
An jene Denkform zu erinnern, besteht aber noch in einer anderen Hinsicht Anlaß. Tejas »Aufopferung« nämlich ist letzten Endes
doch nicht sinnlos (VII/2), »nicht umsonst« (VII/ 2.15), da sein Aushalten die Rettung der Reste des Volkes ermöglicht. Der
heroische einzelne verzichtet »auf Leben und Glück (. . .) um des Ganzen willen«, um »das Allgemeine zu erhalten«. 125 Und er verbürgt dadurch eine bessere, ja sogar »die goldne Zukunft« des Volkes. Adalgoth und die Jungen erscheinen
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