Ein Kampf um Rom
Repräsentationstheaters),
als Vertreter unvermittelbarer Gegensätze aufeinander treffen, befördert unverkennbar eine »Dramatisierung« auch der Form
des Romans. 101 Ungewöhnlich hoch ist der Anteil direkter Wechselrede. Metrische Einsprengsel(wie Jamben: V.2 / 5, oder Stabreime: VI.2 / 18) und andere Gestaltungsmittel des Theaters (das Beiseitesprechen etwa: III/6), kommen vor. Auch die Komposition verstärkt
solche szenischen Züge. Geschickt arrangiert Dahn die Fülle seines Materials, indem er einzelne Episoden mosaikartig miteinander
verzahnt und dadurch eine »Sukzession kleinster Spannungsfelder« 102 herstellt. Bei zusammenhängender Handlungsführung kommt diese Technik den vielfachen Umschwüngen der Ereignisse ebenso entgegen
wie ihrer Simultaneität auf verschiedenen Schauplätzen. Unverkennbar sind die Einflüsse einer neuen Schreibart, die mit dem
Zeitungsroman entstanden war. Eugène Sue (›Die Geheimnisse von Paris‹, 1842 / 43) und Alexandre Dumas (›Der Graf von Monte Christo‹, 1845 / 46) hatten mit dieser wirkungsvollen ›Häppchen-Dramaturgie‹ den herkömmlichen Unterhaltungsroman dynamisiert. In Deutschland
machte sie sich Karl Gutzkow (›Die Ritter vom Geiste‹, 1850 / 52) zunutze, um zu einer epischen Totalität des gesellschaftlichen ›Nebeneinander‹ zu gelangen.
Vieles an seinem Verfahren deutet also darauf hin, daß es Dahn letztlich um eine stilisierende Inszenierung von Geschichte
zu tun war. Diese wiederum zielte hinter die einzelnen Begebenheiten auf deren zeitübergreifende Transparenz ab. Daß er damit
selbst in die Nähe einer »die Thatsachen vergewaltigenden ›Construction‹« geriet (als die er Hegels Geschichtsphilosophie
verwarf), 103 war ihm wohl weniger bewußt. Das entscheidende Stichwort fällt im abschließenden Buch des Romans, wo »die Vollendung der
gotischen Geschicke« als »der letzte Akt einer großartigen Tragödie der Geschichte« bezeichnet wird (VII/5). Eine für Dahns
literarische Strategie fundamentale Wahrnehmung des historischen Prozesses tritt hier zutage. Als Verfasser einer epischen
Schicksalstragödie betrieb er sozusagen eine negative Säkularisierung des Grundmotivs von Ranke, der als Historiker dem verborgenen
Wirken Gottes nachspüren wollte, das in keiner Epoche unbezeugt geblieben sei. Bei Dahn herrscht statt dessen lediglich ein
blindes (und manchmal triviales) Schicksal vor, angesichts dessen der Mensch zur äußersten Bewährung aufgerufen ist. Der Untergangdes Ostgotenreiches schien ihm zu dieser Demonstration seiner »heroisch-tragischen Welt- und Geschichts-Auffassung« ein »unvergleichlich«
geeignetes Thema. 104
»Tragisch, heroisch«, erläuterte Dahn in seinen ›Erinnerungen‹, »ist meine Weltanschauung, weil sie Entsagung lehrt, weil
sie weiß, daß das Glück der Menschen weder auf Erden noch in einem erträumten Himmel ›Weltzweck‹ ist, sondern ›Weltzweck‹
(vielmehr
Wesen
der Welt) ist die nothwendige Verwirklichung des Weltgesetzes, für welches das Glück der Menschen so gleichgültig ist wie
das der Thiere oder der Pflanzen: heroisch, weil sie trotzdem Lebensfreude und Pflichterfüllung fordert, ohne jene elende
Rechnung auf Belohnung oder jene erbärmliche Furcht vor Strafe im Jenseits (. . .): heroisch, weil sie in dem Heldenthum (dem
geistigen, sittlichen wie kriegerischen) für das Volk höchste Ehre, höchste Pflicht und höchste Beglückung findet (. . .)« 105
Diese Philosophie, die Dahn ihrer Daseinsbejahung wegen vom Vorwurf des »Pessimismus« oder »Nihilismus« energisch abgrenzte, 106 verteilt der Roman auf unterschiedliche Stimmen. Nicht nur Teja, für den Autor »der Träger meiner liebsten, stolzesten Ideen«, 107 schickt sich ohne Aussicht auf Hoffnung und Trost in eine sinnlose, dem »unbarmherzigen Rädergang des Schicksals« (IV/2)
unterworfene Weltordnung. Die Gewißheit vom Determinismus der monistisch gedachten »grausamen Natur«, die einem zerstörerischen
»Willen« folgt (VI.2 / 2.22; vgl. VI.2 / 3. 32. 35; V.1 / 15), teilt er mit seinem Gegenspieler Cethegus, ebenso deren lebensgeschichtliche Beglaubigung, töten beide doch irrtümlich
den geliebtesten Menschen: jener seinen Adoptivsohn Julius, dieser seine Braut Myrtia (VI.2 / 34.38). Und im gleichen Sinne zieht Prokop, der byzantinische Historiograph, quasi-objektiv die Bilanz aus den Ereignissen,
deren Zeuge er
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