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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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»Ein neues
     Volk, eine neue Zeit, eine neue Welt schaffen, allein, ein einziger Mann, mit der Kraft seines Willens und der Macht seines
     Geistes – das hat noch kein Sterblicher vollbracht (. . .)« (II/2; V.1   /   7).
    Nicht ohne Grund hat man hier (in diesem wohl Byronsche Einflüsse anverwandelnden Heldentyp) eine erste literarische Antizipation
     von Nietzsches Übermenschen gesehen. 109 Ein genauer Vergleich vermöchte in der Tat erstaunliche Parallelen aufzuspüren (auch wenn der Philosoph Dahn in einer späten
     Notiz als zur deutschen »Mediokrität« gehörig bezeichnet). 110 »Ich habe das Unmögliche gewollt«, erkennt etwa Cethegus am Ende: »Aber das Mögliche zu erreichen ist – gewöhnlich. (. . .)
     besser ist’s, um das Übermenschliche ringend zu erliegen, als in der dumpfen Ergebung unter das Gemeine dahingehn.« (VII/
     14; vgl. VI.2   /   7). Derlei liest sich wie eine geheime Paraphrase eines nachgelassenen Nietzsche-Fragments vom Sommer-Herbst 1873, das wenig
     später auch in die zweite der ›Unzeitgemässen Betrachtungen‹ eingegangen ist: »Ich weiss«, empfiehlt der Philosoph dort gegen
     den von ihm diagnostizierten Niedergang der Epoche, »keinen besseren Lebenszweck als am Grossen und Unmöglichen zu Grunde
     zu gehen.« 111 »Heroismus« sei »der gute Wille zum absoluten Selbstuntergang«. 112 Wie ein Blutzeuge für die Richtigkeit dieser aristokratischen »Herausforderung« des Lebens, 113 erscheint Cethegus noch »im Tode (. . .) von hehrer Majestät fast über Menschenmaß hinaus verklärt« (VII/15).
    Dieser letzte Römer ist ein Stratege der Finsternis von »genialer« (II/3) Rationalität, als dessen Attribut fast aufdringlich
     das Dämonische wiederkehrt: er handelt »teuflisch! Aber groß!« (VI.2   /   6; vgl. V.1   /   7.13; V.2   /   12.   21.   24; VI.1   /   4.   8.   9.12; VI.2   /   5.   17.   20.22). 114 »Prometheus« (VI.2   /   22) oder »Lucifer« (VI.2   /   8) gleich trägt er Züge eines reuelosen Empörers aus dem Geist der Maßlosigkeit. Als »Triebfeder« (VII/11) seiner Handlungen
     wirkt ein ausgeprägter Wille zur Macht, der zugleich Quelle des Selbstgenusses ist, ja einzig verbliebener »Reiz« (II/10)
     eines »öden Lebens« (V.1   /   7). Sein oberstes »Bedürfnis« besteht darin, »zu
herrschen
«, »über knirschende Menschen« – die er verachtet (vgl. II/3), ja haßt (VI.2   /   22) – »ein ehernes Regiment (zu) führen« (II/2; vgl. VI.2   /   22). 115 Perfekt versteht er es, anderen seine Absichten aufzuzwingen (VI.2   /   13). Wie wenig später Nietzsches Fundamentalkritik der überlieferten Moral, 116 so setzt auch Cethegus
einen
basalen Impuls voraus, der jedes Lebewesen determiniert: »Die Selbstsucht der Schwächlinge ist erbärmlich: die der Starken
     großartig. Das ist der einzige Unterschied der Menschen.« (VI.2   /   8). Und ebenfalls analog zu Nietzsche ist die »christliche Nächstenliebe, welche die ganze Menschheit gleichmäßig umspannen
     soll«, in diese Antinomieausdrücklich mit einbezogen. Als verachtenswerte »Schwäche« (VI.2   /   22) gilt sie beiden. 117
    Durch Wort und Tat bekennt sich Dahns verspätete cäsarische Ausnahme-Existenz, die bei den »entarteten« (VI.1   /   1) Zeitgenossen ohne Resonanz bleibt, zum Immoralismus als dem leitenden Prinzip der Weltgeschichte (V.1   /   7). Wer den Zweck will, darf dieser Überzeugung zufolge auch vor den Mitteln nicht zurückschrecken, die ihn herbeizuführen
     geeignet sind. In alledem gründet Cethegus’ faszinierende »Größe«, aber auch seine »Schuld« (VII/15), die beide »unsterblichen«
     Nachruhm verbürgen (VI.2   /   29; VII/14).
    Tejas Variante der Sinngebung des Sinnlosen besteht in der radikalen heroischen Selbstbehauptung gegen das Unabänderliche.
     Das Ausharren auf verlorenem Posten, ohne jede Hoffnung, wird durch ihn zur leuchtendsten aller sittlichen Pflichten überhöht,
     weil sie das Schicksal ins Unrecht setzt. Auch von hier führen untergründige Querverbindungen zu Nietzsche. Es sei das einzige,
     was heute beweisen könne, »ob einer Werth hat oder nicht«, notiert dieser in den ›Nachgelassenen Fragmenten‹ 1887   /   88 im Sinne einer auch sonst vielfach erörterten »tragischen Gesinnung«,
»daß er Stand hält«
. 118 Entsprechend fordert Zarathustras Lehre vom »Übermenschen« ein »mutiges Wesen, das vor den Abgründen des Lebens nicht flieht,
     sich allen erdenklichen Schmerzen

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