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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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erfährt nun eine Wendung ins Politische, wobei als Alternative zu den Akkulturationskonzepten ein ethnischer
     Purismus beschworen wird. (»Rassenbewußtsein« als Kern der eigenen Weltanschauung, hieß das, in zugespitzter Form, später
     bei den Nationalsozialisten.) »Nur das Volkstum«, lesen wir bei Dahn, sei der »Schild« (I/1).134   Die Zugehörigkeit zu dieser über gemeinsame Kultur, »Sprache und Sitte« hinaus (I/1)135 biologisch verstandenen »Blutsgemeinschaft«
     (VI.2   /   19; vgl. VI.2   /   27), die den einzelnen aus sich hervorgebracht hat, ist definitiv unaufkündbar. Deshalb läßt Hildebrand bedenkenlos (und selbst
     gegen heftige Vorwürfe Hildebads) sogar seinen eigenen Enkel hinrichten: »(. . .) wenn du dich als Römer fühlst, verdienst
     du, schon dafür zu sterben.« Die freie Selbstwahl der persönlichen Zugehörigkeit, auf die sich der Delinquent beruft, der
     deshalb von »Mord, nicht Rechtsvollzug«, spricht, erkennt der »barbarische Alte« (V.1   /   17) nicht an – und zwar keineswegs aus kriegsrechtlichen, sondern rein ethnischen Gründen.
    Im Volk liegt eine »geheimnisvolle Kraftquelle« (I/1) für die ihm Zugehörigen. Verheerende Auswirkungen hat daher umgekehrt
     jede Abwendung von dieser lebenspendenden Mitte (vgl. II/11; III/21). Theoderich wird auf dem Totenbett von Selbstvorwürfengequält, die Römer »höhergehalten« zu haben »als die Besten meines Volkes« (I/6). Amalaswintha löst sich, zunächst geistig,
     dann auch politisch von ihrer Herkunft (III/15). Dennoch ist ihr Pflichtbewußtsein so intakt, daß sie für ihre »Verblendung«,
     vor deren Nachfolge sie Theodahad erfolglos warnt (IV/3), »Buße und Sühne an ihrem Volk« zu leisten vermag (IV/4; vgl. III/25;
     IV/1.13). Ihre Tochter Mataswintha hingegen erscheint aus der Perspektive des Romans individualistisch entwurzelt. Sie lebt
     »für ihre Freiheit, (. . .) nur dem Egoismus ihres
einen
Gefühls«, und da die ›Staatsräson‹ des Gotenreichs, das für sie von Kindheit an nur eine »leere« Worthülse, nicht aber verpflichtende
     Realität ist (III/25), ihre Ansprüche verletzen muß, arbeitet sie an dessen Ruin (V.2   /   2.   7.   23). Zu spät erst (und auch da noch inkonsequent) zeigt sie Ansätze von Bedauern über ihre »Vergessenheit« (V.2   /   19).
    Ex negativo bestätigt selbst Cethegus die notwendige Hinordnung auf eine naturwüchsig überindividuelle Instanz für den Menschen.
     »Alles kann der gewaltige Geist des einzelnen ersetzen«, sieht er am Ende seinen grundlegenden Irrtum ein, »nur nicht ein
     fehlend Volk« (VII/14; vgl. VI.1   /   10). Eben daran scheitert sein stolzes Projekt einer schöpferischen Restauration des römischen Imperiums. Die Goten hingegen
     haben das (wie er findet) »unverschämte Glück, ein Volk zu sein«, und sind daher »sehr schwer (. . .) zu besiegen« (VI.2   /   7). Gleichwohl wird dieses »Volk ohne Staat« am Ende durch einen »Staat ohne Volk« geschlagen (VI.2   /   7).
    Eine Aporie, die dem Roman nicht weiter zum Problem wird. Statt dessen insinuiert er dringlich die Aufgabe der Identitätsfindung
     eines »starken Volks, stolz, einig, fest« (I/1). Diese verspricht zumal durch die Rückbesinnung auf dessen Wurzeln zu gelingen.
     Aus den Ursprüngen des eigenen Volkes zu schöpfen bedeutet für Dahn, der hier neopaganen Tendenzen um die Jahrhundertwende
     vorarbeitet,136 die appellative Aktualisierung germanischer Mythologie. Nach der Maßgabe einer religionsgeschichtlichen Projektionstheorie
     galten ihm »Wodan und Donar (. . .) als Ausdruck des (. . .) deutschen Nationalcharakters«.137   So gründet die völkische Ideologie mit Nachdruckim Heidnischen (vgl. V.2   /   15; VI.2   /   18). Eine Schwächung der Volkskraft geht hingegen mit dem Christentum einher (I/1), das seinem Wesen nach international, universalistisch
     ausgerichtet ist. Zum »Bürger eines Reichs: der Menschheit« geworden, sagt der bekehrte Julius Montanus, sei es ihm möglich,
     »den Barbaren (zu) lieben wie einen Bruder«. Diese Voraussetzung weist selbst Totila leidenschaftlich zurück. Zwar könne er
     »das Fremde anerkennen«, nicht jedoch »die Haut abstreifen, in der ich geboren bin«. Durch seine Herkunft bedingt, denke und
     fühle er notwendigerweise »gotisch« (III/21).
    Norm und Fundament der sich ausdifferenzierenden Volksgemeinschaft (vgl. IV/12) bleibt der Bauer, der Pfleger des Bodens (an
     den Witichis schon äußerlich

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