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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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verwandte Völker wie die Franken oder die Langobarden »falsch« (sogar »sprichwörtlich«:
     V.2   /   16; vgl. V.2   /   18) und voller »Verschlagenheit« (VI.2   /   24) sind, dazu ebenfalls in »unfaßlichen« Traditionen aus »grauer Vorzeit« befangen (VI.2   /   21).
    Wo der Erzähler das mythische Deutungsschema verläßt, macht er ein siedlungspolitisches Defizit für den vernichtenden Ausgang
     der Goten-Geschichte verantwortlich. Die »allzu verwegene« Reichsgründung »einer genialen Persönlichkeit« auf fremdem Boden
     hing demnach ohne Bündnispartner in der Luft: Ringsum von Feinden umgeben »fehlte (. . .) der unmittelbare Zusammenhang mit
     noch nicht romanisierten Volkskräften, es fehlte der Nachschub an frischen germanischen Elementen« (II/1). In Italien, variiert
     Totila diesen Gedanken, stehe alles, »Himmel und Boden und Erinnerung« der »Germanenart« entgegen: »wir (. . .) sind wie ein
     vorgeschobner, verlorner Posten, ein einzelner Felsblock, den rings feindliches Element benagt«. (V.2   /   3). Dennoch hält er an seiner Utopie eines transalpinenGermanenreichs fest, um hier das »edelste Gebilde« der »Menschheit« zu schaffen (V.2   /   3).
    In Fortsetzung der Integrations- und Assimilationspolitik Theoderichs (und ähnlicher Absichten Athalarichs) träumt er von
     Anfang an von einem produktiven Ergänzungsverhältnis der Vorzüge beider Völker, ja gar von einer »Harmonie zwischen Römern
     und Germanen« (III/21), die seine Dioskuren-Freundschaft mit Julius (III/6) und die Liebe zu Valeria (III/23; vgl. IV/9) im
     Privaten zeichenhaft abbildet. 130 Diesen »Lieblingsgedanken« (III/21) verfolgt die »apollinische« Lichtgestalt des Romans (I/1; VI.1   /   5; VI.2   /   36; vgl. VI.1   /   2; VI.2.2) später als König entschlossen weiter (VI.1   /   1; vgl. VI.2   /   3). Seine »erste Tat« besteht in einem »Erlaß« an beide Völker, der alle bisherigen gotischen Privilegien beseitigt, eine
     rechtliche »Gleichstellung« herbeiführt und sogar »jede Mischehe« prämiiert (VI.1   /   2). Ziel dieser Maßnahmen ist die Entstehung eines »neuen Mischvolks« in einem »Reich des Rechts und des Friedens, der Freiheit
     und der Schönheit«, einem »Tempel (. . .) der Menschheit«, wo die alten ›nationalen‹ Gegensätze kosmopolitisch überwunden
     sind (VI.2   /   1; vgl. VI.2   /   19).131
    Dem visionären Pathos gegenüber steht die massive Abwehr solch (wie der Erzähler selbst konstatiert) »wohlwollender, aber
     hoffnungsloser Versöhnungspolitik« (I/5), die nachgerade für den Untergang verantwortlich gemacht wird.132   Zu ihren Sprechern werfen sich die Propagandisten einer aggressiven völkischen Identität auf, in den ältesten Überlieferungen
     beheimate Germanen wie Rauthgundis’ Vater oder König Harald, besonders aber und gleich eingangs der alte Hildebrand, sozusagen
     das fleischgewordene »mythische« Bewußtsein (IV/12), der die Offenheit Theoderichs und seiner Tochter für die höhere Kultur
     des besetzten Landes kritisiert: »Unsere Todfeinde sind die Welschen (. . .). Sie werden uns ewig hassen.« (I/1) Jedes Bemühen
     um Koexistenz wird so durch die Doktrin eines unaufhebbaren Antagonismus unterlaufen. Von König Frode erhalten die Goten den
     Rat, das nur als Objekt für Beutezüge geeignete »Südland« zu räumen, da es ihrem Wesen nicht angemessen sei (jedenfalls solange
     kein »breiter Rückhalt an anderenOdhins-Söhnen« besteht); sein Sohn Harald sieht zur anderweitig drohenden Auslöschung nur eine Alternative: »ihr verwelscht«
     (VI.2   /   19). Auch der Erzähler spricht von »der mit der Romanisierung verbundenen Fäulnis« (II/1; vgl. II/7). Vor der Entscheidungsschlacht
     bei Taginä konstatiert er einen »Gegensatz des Blutes und des Glaubens« zwischen den Völkern, aufgrund dessen wechselseitiger
     »Haß (. . .) das Natürliche« sei. Die durch Totila herbeigeführte »Versöhnung nach der Kriegsnot«, heißt es nun plötzlich,
     sei »erzwungen und künstlich – die Ausnahme – gewesen« (VI.2   /   26). Schlüssig motiviert wird diese plötzliche Kehre im Text freilich nicht.
    Schon in einer seiner frühesten Erzählungen, der Kreuzfahrergeschichte ›Reinhard und Fatme‹, hatte Dahn dargestellt, wie »das
     Wagniß der Liebe, sich über die Gegensätze von Abstammung, Volksthum, Erziehung, Glaube, Heimath hinweg zu schwingen, (. .
     .) zu tragischem Untergang« führe.133   Dieses Motiv

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