Ein Kampf um Rom
sich um ausgesprochene Sympathieträger. Als Sklaven zuvor ohne jede Menschlichkeit behandelt (III/9;
V.1 / 9), werden sie von ihren neuen Besitzern zu engsten Vertrauten erhoben. »Klug und mutig« (V.2 / 4), erweisen sie sich dieser Auszeichnung wert und lohnen es ihnen vielfach, unwandelbar »treu« (III/9; VI.2 / 7) bis in den Tod (VI.1 / 7; VII/15).
Während im Zeitraum zwischen den Judenschriften Richard Wagners (1859) und Heinrich von Treitschkes (1879) antisemitische
Ressentiments beim deutschen Kulturbürgertum gang und gäbe waren, 149 überwiegen im ›Kampf um Rom‹ (anders als bei manchen Arbeiten aus seiner zeitlichen Nachbarschaft, etwa von Gustav Freytag,
Wilhelm Raabe oder Wilhelm Busch), bemerkenswerterweise auch in der Darstellung von Juden positive Konnotationen. Wie es dem
historischen Sachverhalt entspricht, erfahren sie keinerlei Diskriminierung durch die Goten. Im Gegenteil. Durch absolute
Verläßlichkeit hierfür qualifiziert, wird dem alten Isak von Theoderich die verantwortungsvolle Stellung als Hüter des Stadttors
von Neapel übertragen (III/12). Seine unbedingte Loyalität gründet in der Dankbarkeit für den Schutz des Königs vor (finanziell
motivierten) Pogromen der Römer, der, unter Einschluß der Gleichheit vor dem Gesetz, über die Gewähr freier Religionsausübung
weit hinausgeht: Er »hat wiederaufgebaut unsre Synagogen«, preist Isak den Wohltäter seines Volkes in einer Diktion, die freilich
Fremdheit impliziert, »und wer Einen schädigte aus Israel, der mußte es büßen, wie wer einen Christen gekränkt (. . .) und
hat beschirmt unsre Schritte auf den Straßen unsres Handels« (III/22). Totila, der sein Leben Miriams Selbstopfer verdankt
(V.1 / 5), knüpft später an diese Toleranz- und Emanzipationspolitik an. Er befreit die jüdischen Frauen »von dem bisher entrichteten
Kopfgeld« (VI.1 / 5) und sichert die Minderheit vor Willkürakten (VI.2 / 16).
Zweifach bedient der Roman daneben bekannte Klischees über Juden. Mit der Gestalt Miriams wird der romantische Topos von der
entsagenden ›schönen Jüdin‹ aufgegriffen, der sich etwa bei Walter Scott (›Ivanhoe‹, dtv 13 765), Achim von Arnim (›Die Majoratsherren‹) oder Wilhelm Hauff (›Jud Süß‹) findet. DurchVerbindung von Liebe und Schmerz, Glanz und Sehnsucht gerät sie entsprechend letztlich zu einer Verkörperung der »lebendigen
Poesie« (III/12; vgl. III/22). Jochem hingegen kommt die Funktion der schwarzen Kontrastfigur zu. Ihm, der das »groß Geschäft«
über alles stellt, eignet nicht nur der »Rechenverstand des jüdischen Stammes« (III/22; vgl. V.1 / 4) – ohne daß jedoch verschwiegen wird, beim Bau der Hagia Sophia habe ein christlicher Konkurrent »das Doppelte« gefordert
(V.1 / 4) –, sondern er ist auch der perfide Verräter, den Isak daher ausdrücklich als »Schandfleck der Hebräer« richtet (V.1 / 5). Zu ihrem ›typischen‹ Repräsentanten wird man ihn schwerlich erklären können! 150
Eine vergleichbare Dichotomie durchzieht auch Dahns Selbstzeugnisse. Einem seiner jüdischen Freunde und Kollegen, Ludwig Friedländer,
ist der ›Kampf um Rom‹ gewidmet. Von einem anderen schreibt er, daß dieser »allein genügen würde, jeden (. . .) vom ›Antisemitismus‹
zu bekehren«. 151 In seiner sozialen Fürsorge macht er keine Unterschiede und vertritt überdies den Standpunkt, »das Deutschtum« sollte »nicht
allein oder doch nicht vor Allem in dem Ausschluß von Juden gesucht werden!« 152 Daneben stören ihn aber auch Ambivalenzen, die er biologisch verortet: »grundgescheut bis zu ätzender, beißender und bissiger
Schärfe des Witzes: ihrer Race (. . .) bekanntes, wirksames aber nicht immer erfreuliches Kennmal.« 153 Und aus seinem Ekel vor den (im Gegensatz zu den »gebildeten, vornehmen Flüchtlingen aus Spanien und Portugal«) »schmutzigen
(. . .) polnischen Juden«, denen er begegnet, macht er keinen Hehl. 154
Wie bereits angedeutet, steht der christliche Glaube in diametraler Konkurrenz zu Dahns weltanschaulichen Grundpositionen.
Aber auch unabhängig von diesen wird eine Distanz zu ihm laut, die sich vielfach mit seinen Infragestellungen durch die Philosophie
des 19. Jahrhunderts berührt. Maliziös witzelt Prokop über die für ihn hochspekulativen dogmatischen Verstiegenheiten der christlichen
Theologie, bei der einem »der Verstand abhanden zu
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