Ein Kampf um Rom
kommen« drohe (V.1 / 11). Die Botschaft von der erlösenden Macht »eines unschuldigen Gottes, der am Kreuz gestorben« ist, stößt nicht allein bei
Theoderich aufZweifel (I/6; vgl. VI.2 / 32). Während »die Freude« mit »der heidnischen Weisheit« in Verbindung gebracht wird, sind »Schmerz und (. . .) Unglück« (III/20)
Angelpunkte des Christentums, das folgerichtig seinen Anhängern »den höchsten Frieden im Entsagen« (IV/9) bietet. Ihrer »Sehnsucht«
nach der jenseitigen »Heimat« einer »unsterblichen Seele« gegenüber besteht Totila auf dem unverkürzten Leben in irdischer
Gegenwart (III/21). Für Teja läuft sie auf bloße »Vertröstung« hinaus, der er die Utopie des ewigen Schlafs gegenüberstellt
(VI.2 / 35).
Die »Liebeslehre des Nazareners« (V.1 / 3) und ihr Stifter selbst bleiben gleichwohl außerhalb jeder Denunziation. »Euer sanfter Jesus« ist für Teja zwar kein Erlöser,
aber eine solidarische Persönlichkeit im Widerspruch zu dem heillosen Zustand der Welt. »Furchtbar« habe er unter den »Schmerzen
seiner Kinder« gelitten (VI.2 / 32). Auch die lautere christliche Praxis, wie bei Cassiodor (III/25; IV/13), Julius (VI.2 / 1; vgl. VI.2./5. 22. 38) oder den Nonnen im Kloster nahe Taginä (V.2 / 3) wird ohne Vorbehalt anerkannt.
Unnachsichtig massive Kritik erfahren hingegen die Kirche und ihre führenden Repräsentanten. Silverius, der Prototyp eines
ehrgeizigen und herrschsüchtigen Klerikers, verbrämt seine eigenen wie die politischen Suprematieansprüche der Institution
religiös (I/3). Wenn es um ihre Interessen geht, laviert die Kurie höchst undurchsichtig (V.1 / 7.8; vgl. IV/8; V.1 / 10), wobei auch geistliche Mittel skrupellos als Waffen dienen. »Salbungsvoll lächelnd« wird der Papst – der sonst gern mit
der Drohung ewiger Strafen arbeitet (V.1 / 12) –, im Vertrauen auf die selbstherrliche Handhabung seiner »apostolischen« Binde- und Lösegewalt Witichis gegenüber meineidig
(V.1 / 8; vgl. V.1 / 6; VII/4). Wer auch immer seinen Zielen »widerstreitet« (V.1 / 10), auf dessen Untergang wirkt er hin, »schlau« und »falsch« zwar (V.1 / 13), doch auch »kein unebenbürtiger Gegner« der Helden (V.1 / 12). Ganz besonders verstehen sich die »weltklugen« Kirchenoberen darauf (nicht zuletzt durch suggestive Prachtentfaltung:
V.1 / 8), in ihrem Sinne Massen zu mobilisieren und zu lenken (V.1 / 12), weswegen sie Cethegus sogar für »gefährlicher als die Goten« hält (vgl. auch V.1 / 6.8).
Ein doktrinäres Feindbild sichert die äußere Macht des Klerus ab. In ihrer kultischen Praxis veräußerlicht – »je mehr eine
Christenkirche kostet, desto heiliger und gottgefälliger ist sie« (V.1 / 4) –, unterstellt der Roman als Grundlage der »Rechtgläubigkeit«, deren »gerade vertretene, feine Schattierung (. . .) immer
haarscharf« zu treffen, ohnehin schwierig ist (VI.2 / 9), einen militanten Fanatismus. Er äußert sich in der Verwerfung jeglicher Dissidenz, die bis zum rigorosen Vernichtungswillen
eskalieren kann. So kennt die Kirche nach der Rückeroberung Italiens »keinen Frieden mit den Ketzern« (VI.1 / 2; vgl. I/4), sind diese nach ihren »Grundlehren« doch ohne Rücksicht auf ihr moralisches Verhalten »ewig verdammt« (VI.2 / 9) – obschon selbst der Bischof von Thessalonike Totila, den Arianer, als ausnehmend »reichgeschmückt mit allen christlichen
Tugenden« würdigen muß (VI.2 / 9). In ihrer Liquidierung besteht sogar ein gottgefälliges Werk. Theodora möchte »die Ungläubigen vertilgen und über die Leichen
der Feinde Christi hin den Weg zur Gnade suchen«. Zwar gilt den Abweichlern von der reinen Lehre der bei weitem grimmigste
Haß (III/16; vgl. VI.1 / 7), doch leben die Nicht-Christen kaum weniger gefährlich: Juden werden mit Flüchen bedacht (V.1 / 4), Heiden verweigert man, es sei denn, sie bekehren sich, selbst die elementarste Barmherzigkeit des Lebensschutzes (III/9).
Statt ihre zutiefst unsittliche Lebensführung aufzugeben (vgl. VI.2.11), läßt die »für ihr Seelenheil (. . .) besorgte« Kaiserin
zahlreiche Kirchen bauen, um »den lieben Gott« zu »bestechen«. Derlei ist aber nicht nur Heuchelei, sondern (wie Teja findet)
déformation naturelle
: ein normaler »Wahnsinn«, den »dieser Glaube« ausbrütet (VI.2 / 5). Die
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