Ein Kampf um Rom
größer als ich – du hast mir eine solche Wucht von Dank und Verehrung auf die junge Seele
geladen, daß sie sich dir nie ohne Scheu öffnen konnte. Auch hörte ich oft mit Zagen, wie du solche Weichheit und Wärme mit
ätzendem Witze verhöhntest: ein scharfer Zug um deinen stolzen, festgeschlossenen Mund hat solche Gefühle in mir in deiner
Nähe stets getötet wie Nachtfrost die ersten Veilchen« (– »nun, aufrichtig ist er!« –)
»Jetzt aber hab’ ich einen Freund gefunden: offen, warm,jung, begeistert wie ich, und nie gekannte Wonne ist mein Teil. Wir haben nur Eine Seele in zwei Körpern: die sonnigen Tage,
die mondsilbernen Nächte wandeln wir miteinander durch diese elyseischen Gefilde und finden kein Ende der geflügelten Worte.–
Aber ich muß ein Ende finden dieses Briefs. Er ist ein Gote« (– »auch noch«, sagte Cethegus ungehalten), »und heißt Totila.« –
Cethegus ließ die Hand mit dem Brief einen Augenblick sinken, er sagte nichts, nur die Augen schloß er einen Moment, dann
las er ruhig weiter:
»Und heißt Totila. Als ich am Tage nach meiner Ankunft in Neapolis durch das Forum des Neptunus schlenderte und an der Bogenwölbung
eines Hauses die Statuen bewunderte, die ein Bildhauer dort zum Kaufe ausgestellt, stürzt urplötzlich aus der Tür auf mich
los ein grauköpfiger Mann mit einer wollnen Schürze, über und über mit Gips bestäubt, in der Hand ein spitzes Gerät: er packte
mich an der Schulter und schrie: ›Pollux, mein Pollux, hab’ ich dich endlich!‹ Ich dachte, der Alte sei verrückt, und sagte:
›Du irrst, guter Mann: ich heiße Julius und komme von Athen.‹ ›Nein‹, schrie der Alte, ›Pollux heißt du und kommst vom Olymp.‹
Und eh’ ich wußte, wie mir geschah, hatte er mich zur Tür hineingedreht. Da erkannte ich denn allmählich, woran ich mit dem
Alten war: er war der Bildhauer, der die Statuen ausgestellt.
In seiner Werkhalle standen andre halbvollendete umher, und er erklärte mir, seit Jahren trage er sich mit der Idee einer
Dioskurengruppe. Für den Kastor habe er vor kurzem ein köstlich Modell in einem jungen Goten gefunden. ›Aber umsonst erflehte
ich‹ – fuhr er fort – ›all diese Tage vom Himmel einen Gedanken für meinen Pollux. Er soll dem Kastor gleichen, ein Bruder
Helenas, ein Sohn des Zeus wie er, volle Ähnlichkeit in Zügen und Gestalt muß da sein. Und doch muß die Verschiedenheit so
deutlich sein wie die Gleichheit: sie müssen zusammengehören und doch jeder ganz eigenartig sein.
Umsonst lief ich alle Bäder und Gymnasien Neapolis’ ab: ich fand den Ledazwilling nicht. Da hat dich ein Gott, Jupiter selber
hat dich mir ans eigne Fenster geführt: wie ein Blitz schlug’sin mich ein, da steht mein Pollux, wie er sein muß: und nicht lebendig laß ich dich aus dieser Halle, bis du mir deinen Kopf
und deinen Leib versprochen.‹
Gern sagte ich dem närrischen Alten zu, andern Tages wiederzukommen. Und das erfüllt’ ich um so lieber, als ich erfuhr, daß
mein gewalttätiger Freund Xenarchos sei, der größte Bildner in Marmor und Erz, den Italien seit lange gesehn.
Am andern Tag kam ich denn wieder und fand meinen Kastor – es war Totila,– und ich kann nicht leugnen, daß mich die große
Ähnlichkeit selbst überraschte, wenn auch Totila älter, höher, kräftiger und unvergleichlich schöner ist als ich. Xenarchos
sagt, wir seien wie Hell-Citrus und Gold-Citrus. Denn Totila ist heller an Haar und Haut: und grade so, schwört der Meister,
haben sich die beiden Dioskuren geglichen und nicht geglichen.
So lernten wir uns denn unter den Götterbildern Xenarchs kennen und lieben: wir wurden in Wahrheit Kastor und Pollux, innig
und unzertrennlich wie sie, und schon ruft uns das heitre Volk von Neapolis bei diesem Namen, wenn wir, Arm in Arm geschlungen,
durch die Straßen gehn. Unsere junge Freundschaft ward aber noch besonders rasch gereift durch eine drohende Gefahr, welche
sie leicht in der Blüte geknickt hätte.
Wir waren eines Abends, wie wir pflegten, zur Porta Nolana hinausgewandelt, in den Bädern des Tiberius Kühlung von des Tages
Hitze zu suchen. Nach dem Bade hatte ich in einer Laune spielender Zärtlichkeit – du wirst sie schelten – des Freundes weißen
Mantel umgeschlagen und seinen Helm mit den Schwanenflügeln aufs Haupt gesetzt. Lächelnd ging er, meine Chlamys umwerfend,
auf den Tausch ein, und friedlich plaudernd schritten wir durch den
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