Ein Kampf um Rom
einigen tausend Mann mit einem mir unbedingt ergebnen Anführer: sie sollen den Palast von Ravenna besetzen:
er ist eine Festung für sich.
Was Rom betrift, so müssen jene Scharen mir vor allem den Präfecten Cethegus, der ebenso mächtig als zweideutig ist und mich
in der Gefahr, in die er mich geführt, plötzlich verlassen hat, fernhalten, nötigenfalls vernichten. Habe ich meine Feinde
niedergeworfen und mein Reich befestigt, wie ich vom Himmel und der eignen Kraft vertraue, so werd’ ich dir Truppen und Führer
mit reichen Geschenken und reicherem Dank zurücksenden. Vale.«
Justinian drückte krampfhaft die Wachstafel in seiner Faust: leuchtenden Auges sah er vor sich hin, seine nicht schönenZüge veredelten sich im Ausdruck hoher geistiger Macht, und dieser Augenblick zeigte, daß in diesem Manne neben vielen Schwächen
und Kleinheiten Eine Stärke, Eine Größe lebte: die Größe eines diplomatischen Genies.
»In diesem Brief«, rief er endlich strahlenden Blickes, »halt’ ich Italien und das Gotenreich.«
Und in mächtiger Bewegung durchschritt er das Gemach mit großen Schritten, jetzt sogar die Verbeugung vor dem Kreuz vergessend.
»Eine Leibwache – sie soll sie haben! – Aber nicht ein paar tausend Mann, viele Tausende, mehr als ihr lieb sein wird, und
du, Belisarius, sollst sie führen.«
»Sieh auch die Geschenke«, mahnte Alexandros und wies auf einen köstlichen Schrein von Thujenholz, mit Gold eingelegt, den
der Velarius hinter ihm niedergestellt hatte. »Hier ist der Schlüssel.« Er überreichte ein kleines Büchschen von Schildpatt,
das mit der Regentin Siegel geschlossen war. »Es ist ihr Bild dabei«, sagte er, wie zufällig mit lauterer Stimme.
In dem Augenblick, da der Gesandte die Stimme kräftiger erhoben, steckte sich, leise und unbemerkt von allen außer ihm, der
Kopf eines Weibes durch den Vorhang, und zwei funkelnde schwarze Augen sahen scharf auf den Kaiser. Dieser öffnete den Schrein,
schob rasch alle Kostbarkeiten beiseite und griff hastig nach einem unscheinbaren Täfelchen von geglättetem Buchs mit einem
schmalen Goldrahmen. Ein Ruf des Staunens entflog unwillkürlich seinen Lippen, sein Auge blitzte, er zeigte das Bild Belisar:
»Ein herrliches Weib, welche Majestät der Stirn! ja, man sieht die geborne Herrscherin, die Königstochter!« Und bewundernd
sah er auf die edeln Züge.
Da rauschte der Vorhang, und die Lauscherin trat ein. Es war Theodora, die Kaiserin: ein verführerisches Weib. Alle Künste
weiblichen Erfindungsgeistes in einer Zeit des raffinierten Luxus und alle Mittel eines Kaiserreichs wurden täglich stundenlang
aufgeboten, diese an sich ausgezeichnete, aber durch ein zügelloses Sinnenleben früh angegriffne Schönheit frisch und blendend
zu erhalten. Goldstaub lieh ihrem dunkelblauschwarzen Haar metallischen Glanz: es war am Nacken mit aller Sorgfaltgegen den Wirbel hinaufgekämmt, den schönen Bau des Hinterkopfs, den feinen Ansatz des Halses zu zeigen. Augenbrauen und Wimpern
waren mit arabischem Stimmi glänzendschwarz gefärbt: und so künstlich war das Rot der Lippen aufgetragen, daß selbst Justinian,
der diese Lippen küßte, nie an eine Unterstützung der Natur durch phönikischen Purpur dachte. Jedes Härchen an den alabasterweißen
Armen war sorgfältig ausgetilgt, und das zarte Rosa der Fingernägel beschäftigte täglich eine besondre Sklavin lange Zeit.
Und doch hätte Theodora, damals noch nicht vierzig Jahre alt, auch ohne all diese Künste für ein ganz auffallend schönes Weib
gelten müssen.
Edel freilich war dieses Antlitz nicht: kein großer, ja, kein stolzer Gedanke sprach aus diesen angestrengten, unheimlich
glänzenden Augen: um die Lippen schwebte ein zur Gewohnheit gewordnes Lächeln, welches die Stelle der ersten künft’gen Falte
ahnen ließ: und die Wangen zeigten in der Nähe der Augen Spuren müder Erschöpfung. Aber wie sie jetzt, mit ihrem süßesten
Lächeln, auf Justinian zuschwebte, das schwere Faltenkleid von dunkelgelber Seide zierlich mit der Linken aufhebend, übte
die ganze Erscheinung einen betäubenden Zauber, ähnlich dem süßen, einlullenden Geruch von indischem Balsam, der von ihr duftete.
»Was erfreut meinen kaiserlichen Herrn so sehr? darf ich seine Freude teilen?« fragte sie mit süßer, einschmeichelnder Stimme.
Die Anwesenden warfen sich vor der Kaiserin zur Erde, kaum minder ehrerbietig als vor Justinian. Dieser aber schrak bei ihrem
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