Ein Kampf um Rom
Aufwachend rief sie meinen Namen. Rasch ergriff ich sie, drückte sie
an meine Brust und floh mit ihr: rückblickend sah ich, wie der Bär die Schlange zerriß und die Schlange den Bären zu Tode
stach.«
»Nun, und das Weib?«
»Das Weib drückte einen flüchtigen Kuß auf meine Stirn und war plötzlich wieder verschwunden, und ich erwachte, vergebens
die Arme nach ihr ausstreckend. Das Weib«, fuhr er rasch fort, ehe Theodora nachsinnen sollte, »ist natürlich Italien.«
»Jawohl«, sagte die Kaiserin ruhig. Aber ihr Busen wogte.
»Der Traum ist der glücklichste. Bär und Schlange sind Barbaren und Italier, welche um die Siebenhügelstadt ringen. Du entreißest
sie beiden und läßt sie sich gegenseitig vernichten.«
»Aber sie entschwindet mir wieder – sie bleibt mir nicht.«
»Doch. Sie küßt dich und verschwindet in deinen Armen. So wird Italien aufgehn in deinem Reich.«
»Du hast recht«, rief Justinian aufspringend. »Sei bedankt, mein kluges Weib. Du bist die Leuchte meiner Seele. Es sei gewagt
– Belisar soll zieh’n.«
Und er wollte den Velarius rufen. Doch hielt er plötzlich an.
»Aber noch Eins.«
Und die Augen niederschlagend, faßte er ihre Hand.
»Ah«, dachte Theodora, »jetzt kommt’s.«
»Wenn wir nun das Gotenreich zerstört und in die Hofburg von Ravenna mit Hilfe der Königin selbst eingezogen sind – was –
was soll dann mit ihr, der Fürstin, werden?«
»Nun«, sagte Theodora völlig unbefangen, »was mit ihr werden soll? Was mit dem entthronten Vandalenkönig geworden. Sie soll
hierher, nach Byzanz.« Justinian atmete hoch auf.
»Mich freut es, daß du das Richtige fandest.«
Und in wirklicher Freude drückte er ihr die schmale, weiße, wunderzierliche Hand.
»Mehr als das«, fuhr Theodora fort. »Sie wird um so leichter auf unsre Pläne eingehen, je sicherer sie einer ehrenvollen Aufnahme
hier entgegensieht. So will ich selbst ihr ein schwesterliches Schreiben senden, sie einzuladen. Sie soll im Fall der Not
stets ein Asyl an meinem Herzen finden.«
»Du weißt gar nicht«, fiel Justinian eifrig ein, »wie sehr du dadurch unsern Sieg erleichterst. Die Tochter Theoderichs muß
völlig von ihrem Volk hinweg zu uns gezogen werden. Sie selbst soll uns nach Ravenna führen.«
»Dann kannst du aber nicht gleich Belisar mit einem Heere senden. Das würde sie nur argwöhnisch machen und widerspenstig.
Sie muß aber völlig in unsern Händen, das Barbarenreich von innen heraus gebrochen sein, ehe das Schwert Belisars aus der
Scheide fährt.«
»Aber in der Nähe muß er von jetzt an sein.«
»Wohl, etwa auf Sicilien. Die Unruhen in Afrika geben den besten Vorwand, eine Flotte in jene Gewässer zu senden. Und sowie
das Netz gelegt, muß Belisars Arm es zuziehn.«
»Aber wer soll es legen?«
Theodora dachte eine Weile nach; dann sagte sie:
»Der geistgewaltigste Mann des Abendlands, Cethegus Cäsarius, der Präfect von Rom, mein Jugendfreund.«
»Recht. Aber nicht er allein. Er ist ein Römer, nicht mein Untertan, mir nicht völlig sicher. Wen soll ich senden. Noch einmal
Alexandros?«
»Nein«, rief Theodora, »er ist zu jung für ein solches Geschäft. Nein.«
Und sie schwieg nachdenklich.
»Justinian«, sprach sie endlich, »auf daß du siehst, wie ich persönlichen Haß vergessen kann, wo es das Reich gilt und der
rechte Mann gewählt werden muß, schlage ich dir selber meinen Feind vor: Petros, des Narses Vetter, des Präfecten Studiengenossen,
den schlauen Rhetor – ihn sende.«
»Theodora« – rief der Kaiser erfreut, sie umarmend, »du bist mir wirklich von Gott geschenkt. Cethegus – Petros – Belisar: Barbaren, ihr seid verloren!«
Siebzehntes Kapitel
Am Morgen darauf erhob sich die schöne Kaiserin vergnügt von dem schwellenden Pfühl, dessen weiche Kissen, mit blaßgelber
Seide überzogen, mit den zarten Halsfedern des pontischen Kranichs gefüllt waren. Vor dem Bette stand ein Dreifuß mit einem
silbernen Becken, den Okeanos darstellend, darin lag eine massiv goldne Kugel. Die weiche Hand der Kaiserin hob lässig die
Kugel und ließ sie klingend in das Becken fallen: der helle Ton rief die syrische Sklavin in das Gemach, welche im Vorzimmer
schlief.
Mit auf der Brust gekreuzten Armen trat sie an das Lager und schlug die schweren Vorhänge von violetter chinesischer Seide
zurück. Dann ergriff sie den sanften iberischen Schwamm, welcher, in Eselsmilch getränkt, in kristallner Schale ruhte, und
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