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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Nase, volle Wangen gaben dem Gesicht
     den Ausdruck gesunder Kraft, die breite Brust, die gewaltigen Schenkel und Arme hatten etwas Herkulisches, der Mund aber zeigte
     trotz des grimmen Rundbartes Milde und Gutherzigkeit.
    »Herr«, sprach er mit voller, aus tiefer Brust quellender Stimme, »Belisars Rat ist immer: greifen wir die Barbaren an. Soeben
     hab’ ich auf dein Geheiß das Reich der Vandalen in Afrika zertrümmert mit fünfzehntausend Mann. Gib mir dreißigtausend, und
     ich werde dir die Gotenkrone zu Füßen legen.«
    »Gut«, sprach der Kaiser erfreut, »dies Wort hat mir wohlgetan. Was sprichst du, Perle meiner Rechtsgelehrten, Tribonianus?«
    Der Angeredete war wenig kleiner als Belisar, aber nicht so breitschultrig und die Glieder nicht so sehr durch stete Übung
     entwickelt. Die hohe, ernste Stirn, das ruhige Auge, der festgeschnittne Mund zeugten von einem mächtigen Geist.
    »Imperator«, sagte er gemessen, »ich warne dich vor diesem Krieg. Er ist ungerecht.«
    Unwillig fuhr Justinianus auf: »Ungerecht! wiederzunehmen was zum römischen Reich gehört.«
    »Gehört hat. Dein Vorfahr Zeno überließ durch Vertrag das Abendland an Theoderich und seine Goten, wenn sie den Anmaßer Odovakar
     gestürzt.«
    »Theoderich sollte Statthalter des Kaisers sein, nicht König von Italien.«
    »Zugegeben. Aber nachdem er es geworden – wie er es werden mußte, ein Theoderich konnte nicht der Diener eines Kleinern sein   –, hat ihn Kaiser Anastasius, dein Ohm Justinus, du selbst hast ihn anerkannt, ihn und sein Königreich.«
    »Im Drang der Not. Jetzt, da sie in Not und ich der Stärkere, nehm’ ich die Anerkennung zurück.«
    »Das eben nenn’ ich ungerecht.«
    »Du bist unbequem und unbeholfen, Tribonian, und ein zäher Rechthaber. Du taugst trefflich, meine Pandekten zusammenzubauen.
     In Politik werd’ ich dich nie wieder befragen. Was hat die Gerechtigkeit mit der Politik zu tun!«
    »Gerechtigkeit, o Justinianus, ist die beste Politik.«
    »Bah, Alexander und Cäsar dachten anders.«
    »Sie haben erstens ihr Werk nicht vollendet, und dann zweitens« – er hielt inne.
    »Nun, zweitens?«
    »Zweitens bist du nicht Cäsar und nicht Alexander.« –
    Alle schwiegen. Nach einer Pause sagte der Kaiser ruhig: »Du bist sehr offen, Tribonianus.«
    »Immer, Justinianus.«
    Rasch wandte sich der Kaiser zu dem Dritten. »Nun, was ist deine Meinung, Patricius?«

Vierzehntes Kapitel
    Der Angeredete verbannte rasch von seinen Lippen ein kaltes Lächeln, welches ihm die Moralpolitik des Juristen erweckt, und
     richtete sich auf. Er war ein verkrüppeltes Männchen, noch bedeutend kleiner als Justinian, weshalb dieser im Gespräch mit
     ihm den Kopf noch viel mehr, als nötig gewesen wäre, herabsenkte. Er war kahlköpfig, die Wangen von krankhaftem Wachsgelb,
     die rechte Schulter höher als die linke, und er hinkte etwas auf dem linken Fuß, weshalb er sich auf einen schwarzen Krückstock
     mit goldnem Gabelgriff stützte. Aber das durchdringende Auge war so adlergewaltig, daß es von dieser unansehnlichen Gestalt
     den Eindruck des Widrigen fernhielt, dem fast häßlichen Gesicht die Weihe geistiger Größe verlieh: und der Zug schmerzlicher
     Resignation und kühler Überlegenheit um den feinen Mund hatte sogar einen fesselnden Reiz.
    »Imperator«, sagte er mit scharfer, bestimmter Stimme, »ich widerrate diesen Krieg – für jetzt.«
    Unwillig zuckte des Kaisers Auge: »Auch aus Gründen der Gerechtigkeit?« fragte er, fast höhnisch.
    »Ich sagte: für jetzt.«
    »Und warum?«
    »Weil das Notwendige dem Angenehmen vorgeht. Wer sein Haus zu verteidigen hat, soll nicht in fremde Häuser einbrechen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen: vom Westen, von den Goten droht diesem Reiche keine Gefahr. Der Feind, der dieses Reich verderben kann,
     vielleicht verderben wird, kommt vom Osten.«
    »Die Perser!« rief Justinian verächtlich.
    »Seit wann«, sprach Belisar dazwischen, »seit wann fürchtet Narses, mein großer Nebenbuhler, die Perser?«
    »Narses fürchtet niemanden«, sagte dieser, ohne seinen Gegner anzusehn, »weder die Perser, die er geschlagen hat, noch dich,
     den die Perser geschlagen haben. Aber er kennt den Orient. Sind es die Perser nicht, so sind es andre, die nach ihnen kommen.
     Das Gewitter, das Byzanz bedroht, steigt vom Tigris auf, nicht vom Tiber.«
    »Nun, und was soll das bedeuten?«
    »Das soll bedeuten, daß es schimpflich ist für dich, o Kaiser, für den

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