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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Negoro mit ihnen vorhaben? Offenbar schleppen diese Bösewichte sie nach Kazonnde… ja, gewiß… ich werde sie dort wieder treffen. Ach, inmitten dieses Elends ist es doch eine frohe Botschaft, welche Dingo mir da brachte.
    – Vom 11. bis 15. Mai. – Die Karawane setzt ihren Weg fort. Die Gefangenen schleichen von Tag zu Tag nur mühsamer weiter. Die Fußspuren der meisten sind durch Blut befleckt. Ich rechne, daß wir noch zehn Tage bis Kazonnde brauchen, wie Viele werden bis dahin am Ende ihrer Leiden sein? Doch ich, ich muß ankommen, ich werde mit ankommen.
    Abscheulich! In dem Zuge giebt es nicht wenige Unglückliche, deren Körper nur eine einzige Wunde ist! Die Stricke, mit denen sie gebunden sind, dringen ihnen in’s Fleisch ein!…
    Schon seit gestern trägt eine Mutter ihr vor Hunger umgekommenes Kind auf den Armen weiter; sie will sich nicht von der kleinen Leiche trennen!…
    Unser Weg bedeckt sich allmälig mit Todten. Die Spitzpocken wüthen mit sonst unbekannter Heftigkeit.
    Wir kommen an einem Baume vorbei, an welchen Sklaven mit dem Halse festgebunden waren, die man einfach hatte Hungers sterben lassen.
    – Vom 16. bis 24. Mai. – Fast bin ich am Ende meiner Kräfte, und doch habe ich nicht das Recht, zu erlahmen. Die Regen haben völlig aufgehört. Wir haben jetzt Tage »harten Marsches«. So nennen die Agenten die »Terikosa«, d.i. die Reise des Nachmittags. Wir müssen noch schneller gehen; der Boden zeigt wiederholt ziemlich steile Erhebungen.
    Der Zug bewegt sich durch hohes, sehr hartes Schilf. Es besteht aus dem »Nyassi«, dessen Stengel mich im Gesichte verwunden, während dessen spitze Samen durch meine defecte Kleidung bis auf die Haut eindringen. Mein starkes Schuhwerk hat zum Glück bis jetzt ausgehalten.
    Die Agenten lassen die Sklaven, welche zu krank sind, um dem Zuge folgen zu können, jetzt einfach liegen. Uebrigens droht der Mundvorrath zu Ende zu gehen; Soldaten und Pagazis murren und kündigen ihre Dienste, wenn ihre Rationen verringert würden. Man wagt nicht, ihnen etwas abzuschlagen, weshalb sich die Lage der Sklaven nur noch mehr verschlimmert.
    »Sie mögen einander selbst verzehren!« hat der Chef gesagt.
    Die Folge dieser Zustände ist daß junge, noch kräftige Sklaven nicht selten ohne ein eigentliches Zeichen von Krankheit dahinsterben. Es fällt mir da ein, was Livingstone hierüber äußerte: »Diese Unglücklichen klagen über Beschwerden vom Herzen; sie legen ihre Hände über dasselbe und brechen zusammen. Es bricht ihnen auch buchstäblich das Herz. Diese Erscheinung ist besonders freien, unerwartet zur Sklaverei verdammten Menschen eigenthümlich.«
    Heute wurden zwanzig Gefangene, welche sich nicht mehr weiterzuschleppen vermochten, von den Havlidars durch Axtschläge getödtet. Der arabische Chef kümmert sich um dieses Blutbad nicht im Mindesten.
    O, es war ein schreckliches Schauspiel!
    Die arme alte Nan ist bei dieser entsetzlichen Schlächterei durch das Messer umgekommen… ich stoße im Vorbeigehen auf ihren Leichnam. Nicht einmal ein christliches Begräbniß kann ich ihr vermitteln!…
    Das ist also die Erste von den Ueberbleibenden des »Pilgrim«, welche Gott zu sich abberufen hat. Du armes, gutes Wesen! Du arme Nan!
    Jede Nacht spähe ich nach Dingo aus. Er ist bis jetzt nicht wiedergekommen. Sollte ihm oder Herkules ein Unfall zugestoßen sein? Nein, nein! Ich kann, ich mag das nicht glauben!… Dieses mir so lang erscheinende Schweigen beweist nur, daß Herkules mir zunächst weitere Neuigkeiten nicht mitzutheilen hat. Er muß ja auch mit aller Klugheit handeln und immer wohl auf der Hut sein!
Neuntes Capitel.
Kazonnde.
    Am 26. Mai langte die Karawane zu Kazonnde an. Fünfzig Percent der bei der letzten Razzia Gefangenen gingen auf dem Wege hierher zu Grunde. Dessenungeachtet war das Geschäft für die Agenten noch ein gutes zu nennen; die Nachfragen drängten sich und der Preis für Sklaven stieg auf den Märkten Afrikas
    Angola betrieb zu jener Zeit einen sehr ausgedehnten Negerhandel. Die portugiesischen Behörden in San Pablo de Loanda hätten diesem schwerlich Einhalt thun können, denn die Züge schlagen die Richtung nach dem Innern Afrikas ein. Die Baracken an der Küste strotzten von Gefangenen; die wenigen Sklavenschiffe, denen es gelang, durch die Kreuzer längs der Küste zu entkommen, genügten nicht, jene nach den spanischen Kolonien Amerikas überzuführen.
    Kazonnde, etwa 300 Meilen von der Mündung der Coanza gelegen, ist

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