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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Negoro die Summe von 1 00.000 Dollars in den Händen, welche Garantie hätten dann Mr. Weldon, seine Frau, sein Kind und Vetter Benedict dafür, daß man sie auch unbehelligt ihren Weg ziehen ließe? Genügte nicht eine Laune der Königin Moina, sie daran zu hindern? Vollzog sich der vorgeschlagene »Austausch« Mrs. Weldon’s und der Ihrigen nicht weit sicherer an irgend einem vorherbestimmten Punkte der Küste, wodurch James W. Weldon wenigstens die Gefahren einer Reise in’s Innere und die Schwierigkeiten, um nicht zu sagen, die Unmöglichkeit der Rückreise erspart blieben?
    Diese Gedanken etwa drängten sich in Mrs. Weldon’s Kopfe. Aus den angeführten Gründen hatte sie von vornherein Negoro’s Vorschlag, ihm einen Brief an ihren Gatten zu geben, kurz abgewiesen. Sie überlegte sich auch, daß Negoro, wenn er seinen zweiten Besuch erst nach acht Tagen ansetzte, gewiß eben so lange Zeit brauche, sich für die geplante Reise vorzubereiten, sonst würde er wohl einen kürzeren Termin bestimmt haben, ihr sozusagen die Pistole auf die Brust zu setzen.
    »Sollte er es wirklich wagen, mich von meinem Kinde zu trennen? murmelte sie.
    In diesem Augenblick hüpfte Jack in die Hütte und seine Mutter umschlang ihn zärtlicher denn je, so als sei Negoro schon hier, ihr das Kind zu entreißen.
    »Du bist recht betrübt, Mama? fragte der kleine Knabe.
    – Nein, mein Jack, o nein! antwortete Mrs. Weldon. Ich dachte an Deinen Papa. Du möchtest ihn gewiß gern wiedersehen?
    – Ach ja, Mama! Wird er hierher kommen?
    – Nein… nein! Das darf er nicht!
    – So werden wir zu ihm zurückkehren?
    – Ja, mein Jack!
    – Mit meinem Freunde Dick… und Herkules… und dem alten Tom?
    – Ja… freilich!… antwortete Mrs. Weldon, indem sie den Kopf niedersenkte, um ihre Thränen zu verbergen.
    – Hat Papa an Dich geschrieben? fragte der kleine Jack weiter.
    – Nein, mein Schatz.
    – So hast Du an ihn geschrieben, Mama?
    – Ja… ja… Vielleicht!«… erwiderte Mrs. Weldon.
    Unwillkürlich trat der kleine Jack hiermit den Gedanken seiner Mutter entgegen, die ihn mit Küssen bedeckte, um jeder weiteren Antwort enthoben zu sein.
    Zu den anderen Gründen, welche Mrs. Weldon veranlaßt hatten, Negoro’s Vorschläge von vornherein abzulehnen, gesellte sich nämlich noch ein anderer, und zwar ein nicht ganz unrichtiger. Vielleicht bot sich ihr ohne Mitwirkung ihres Mannes und gegen Negoro’s Absicht eine unerwartete Aussicht auf Befreiung. Zwar leuchtete ihr nur ein Schimmer von Hoffnung, nur ein sehr schwacher, immerhin aber war es doch ein solcher.
    Einige Worte, die sie von einer, wenige Tage vorher stattgefundenen Unterhaltung hörte, eröffneten ihr die Aussicht auf eine baldige, scheinbar wie von der Vorsehung gesandte Hilfe.
    Alvez und ein Mestize aus Ujiji plauderten wenige Schritte vor der Hütte, welche Mrs. Weldon inne hatte. Daß sich das Gespräch um nichts Anderes drehte als um den Handel mit Negern, wird Niemand erstaunen machen. Die beiden Menschenfleischhändler sprachen eben vom Geschäft. Sie ließen sich über die ihrem Gewerbe bevorstehenden Aussichten aus und zeigten sich nicht wenig beunruhigt über die Störungen, welche ihnen die Engländer nicht nur draußen durch ihre Kreuzer, sondern auch im Innern durch die Missionäre und Reisenden bereiteten.
    Jose-Antonio Alvez war der Ansicht, daß jene kühnen Pionniere nur der Freiheit ihrer commerciellen Thätigkeit schaden könnten. Sein Partner theilte diese Anschauung vollkommen und hätte jene weltlichen oder geistlichen Besucher lieber mit Flintenschüssen empfangen gesehen.
    In gewissem Grade war das übrigens auch der Fall; zum großen Mißvergnügen der Händler kamen nur immer andere, wenn man einmal einen jener Neugierigen abgethan hatte. Kehrten diese nun in ihre Heimat zurück, so erzählten sie »mit crasser Uebertreibung«, wie Alvez sagte, von den Gräueln des Sklavenhandels, und das schadete dem an und für sich beschränkten Geschäft natürlich ganz bedeutend.
    Der Mestize stimmte ihm bei und beklagte dasselbe vorzüglich in Betreff der Märkte von Ujiji, N’yangwe und Zanzibar, sowie des ganzen Gebietes der großen Seen. Dorthin waren nacheinander Speke, Grant, Livingstone, Stanley und Andere gekommen. Das glich einem feindlichen Einfall.
    Bald würden ganz England und ganz Amerika sich des Landes bemächtigt haben.
    Alvez bedauerte seinen Geschäftsfreund aufrichtig und gestand, daß die Provinzen des westlichen Afrikas bisher noch

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