Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
verständnißvoll und bildeten sich von Tag zu Tag zu besseren Seeleuten aus. Tom galt dabei natürlich als Obersteuermann, wozu ihn seine Genossen ohnehin erwählt hatten. Er befehligte die Wache, während der Leichtmatrose ruhte, und hatte dann seinen Sohn Bat und Austin zur Seite, Acteon und Herkules bildeten die andere Wache unter dem Kommando Dick Sand’s; während so der Eine steuerte, lugten die Anderen über das Vorderdeck aus.
    Obwohl diese Gegenden vollständig verlassen schienen und an einen Zusammenstoß so gut wie gar nicht zu denken war, bestand der Leichtmatrose doch darauf, vorzüglich die Nacht über so scharf als möglich zu wachen. Er ließ stets die beiden Positionslichter – ein grünes an Steuerbord und ein rothes an Backbord – anbringen und that daran sehr weise.
    In den Nächten, welche Dick Sand ununterbrochen am Steuer zubrachte, fühlte er manchmal eine wirkliche Erschlaffung, die ihn übermannte. Seine Hand regierte das Steuer dann nur noch instinctmäßig. Es war das die Folge einer Müdigkeit, welche er über sich doch nicht Herr werden lassen wollte.
    In der Nacht vom 13. zum 14. Februar kam es aber doch so weit, daß Dick Sand sich einige Stunden Ruhe gönnen mußte und am Steuer durch den alten Tom vertreten wurde. Dunkle Wolken, die sich gegen Abend unter dem Einfluß der kälteren Luft tief herabgesenkt hatten, bedeckten ringsum den Himmel. Es herrschte eine so tiefe Finsterniß, daß es unmöglich gewesen wäre, die oberen, halb im Nebel verschwimmenden Segel zu unterscheiden. Herkules und Acteon hielten auf dem Vorderdeck Wache.
    Auf dem Hinterdeck verbreiteten die Lampen des Compaßhäuschens einen beschränkten Lichtschein, den der Metallbeschlag des Steuers schwach widerspiegelte. Die Signallaternen, welche ihre Strahlen mehr seitwärts aussendeten, ließen das Deck des Fahrzeuges in tiefer Dunkelheit.
    Da, gegen drei Uhr Morgens, verfiel auch der alte Tom in eine Art Schlafsucht, die ihn ganz unmerklich überkam. Seine Augen, welche längere Zeit auf einen beleuchteten Punkt am Compaßhäuschen geblickt hatten, verloren plötzlich jedes Sehvermögen, und ihn ergriff, wunderbarer Weise, eine wirklich anästhetische Somnolenz.
    Dabei sah der Neger allein nicht mehr, sondern er hätte sogar wahrscheinlich nichts gefühlt, wenn man ihn mit einer Nadel stach.
    Er bemerkte also auch einen Schatten nicht, der geräuschlos über das Deck hinglitt.
    Das war Negoro.
    Am Hinterdeck angekommen, verbarg der Küchenmeister einen ziemlich schweren Gegenstand, den er in der Hand trug, unter dem Compaß.
    Dann blickte er eine Secunde lang nach der erhellten Scheibe der Boussole und zog sich wieder zurück, ohne gesehen worden zu sein.
    Hätte Dick Sand am nächsten Morgen den von Negoro unter dem Compaß versteckten Gegenstand bemerkt, er würde sich gewiß beeilt haben, denselben von da zu entfernen.
    Es war das nämlich nichts Anderes als ein Stück Eisen, das die Angaben des Compasses fälschen sollte. Die Magnetnadel wurde hierdurch abgelenkt und statt nach dem magnetischen Nordpol zu zeigen, der von dem Nordpol der Erde nur wenig abweicht, wies sie jetzt nach Nordosten. Die Abweichung betrug demnach vier Striche der Windrose oder mit anderen Worten einen halben rechten Winkel.
    Tom erwachte sehr bald aus seiner Betäubung. Seine Augen richteten sich auf den Compaß… er glaubte, er mußte es glauben, daß der »Pilgrim« nicht in guter Richtung segle.
    Er drehte also das Steuer so weit, um das Schiff wieder nach Osten zu wenden… er glaubte es wenigstens.
    Bei der Abweichung der Nadel aber, welche er nicht voraussetzen konnte, stand das Bugspriet statt nach Osten jetzt nach Südosten.
    Der »Pilgrim« segelte also bei dem herrschenden günstigen Winde nicht mehr in der gewünschten Richtung, sondern mit einem Fehler von fünfundvierzig Graden seitlich von seinem Kurse.

Elftes Capitel.
Sturm.
    Während der auf dieses Ereigniß folgenden Woche vom 14. bis 21. Februar trug sich an Bord kein weiterer Zwischenfall zu. Der Nordwestwind frischte noch etwas mehr auf und der »Pilgrim« segelte ziemlich schnell – etwa 160 Meilen binnen vierundzwanzig Stunden – dahin.
    Dick Sand’s Voraussetzung nach mußte sich die Brigg-Goëlette nun den Gegenden nähern, durch welche die von einem Erdtheile zum anderen segelnden oder dampfenden Schiffe ziehen. Der Leichtmatrose hoffte tagtäglich einem jener Fahrzeuge zu begegnen und war fest entschlossen, entweder seine Passagiere auf dasselbe

Weitere Kostenlose Bücher