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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Amerikaner, über jenen Portugiesen, den Schiffskoch, von dem Sie mir schon sprachen?
    – Von demselben, bestätigte Tom; wenn man Dingo hört, möchte man glauben, daß Negoro in der Nähe sei.
    – Wie hätte er hierher kommen sollen? antwortete Harris. So viel ich weiß, hat er dieses Land ja nie gesehen.
    – Wenn er uns das nicht verschwiegen hat, meinte Tom.
    – Das wäre doch sonderbar, sagte Harris. Doch wenn Sie wollen, suchen wir das Gebüsch ab. Es ist ja möglich, daß der arme Teufel Hilfe braucht, daß er in Noth ist…
    – Das ist wohl unnöthig, Herr Harris, lehnte Dick Sand ab. Wußte Negoro bis hierher zu gelangen, so wird er sich auch weiter zu finden wissen. Er ist der Mann dazu, sich aus der Verlegenheit zu helfen.
    – Ganz wie Sie wünschen, antwortete Harris.
    – Allons, Dingo, sei still!« rief Dick Sand dem Hunde befehlend zu, um dem Gespräch ein Ende zu machen.
    Die andere, dem Leichtmatrosen auffallende Beobachtung bezog sich auf das Pferd des Amerikaners.
    Es schien nicht, als ob dasselbe »den Stall röche«, wie man das an Pferden von seiner Race bemerkt. Es zog die Luft nicht begieriger ein, beeilte seinen Gang nicht, erweiterte nicht die Nase und stieß nicht jenes Wiehern aus, wodurch es das Ende einer Reise andeutet. Alles in Allem verhielt es sich ebenso indifferent, als ob die Hacienda, nach der es mehrmals gekommen war und die ihm einigermaßen bekannt sein mußte, noch Hunderte von Meilen entfernt wäre.
    »Das ist kein Pferd, welches seine Behausung wittert!« dachte der junge Leichtmatrose.
    Dennoch sollten, nach Harris’ Angaben vom Tage vorher, nur noch sechs Meilen zurückzulegen sein, und von diesen letzten sechs Meilen waren um fünf Uhr Abends gewiß schon vier durchwandert. Sowie das Pferd nichts vom Stall roch, dessen es doch selbst recht nöthig bedurfte, so deutete auch kein anderer Umstand auf die Nähe einer großen Ansiedelung hin, wie die Hacienda de San Felipe es ja sein sollte.
    Mrs. Weldon, der sonst Alles, was nicht ihr Kind betraf, so ziemlich gleichgiltig war, verwunderte sich doch über diese so öde Gegend. Wie! Nicht ein Eingeborner, kein Beamter, kein Knecht der Hacienda, die nun so nahe lag! Hätte Harris sich dennoch verirrt? Nein, er versicherte das Gegentheil. Eine weitere Verzögerung wäre für den kleinen Jack der Tod gewesen!
    Harris schritt unverdrossen vorwärts; doch er schien sich im Walde umzusehen und nach rechts und links auszulugen, wie Jemand, der seiner selbst oder seines Weges nicht ganz sicher ist.
    Mrs. Weldon schloß die Augen, um ihn nicht ferner zu sehen.
    Nach einer etwa eine Meile breiten offenen Ebene folgte wiederum Wald, wenn auch nicht so dicht wie im Westen, und die kleine Gesellschaft verschwand auf’s Neue unter den großen Bäumen.
    Gegen sechs Uhr Abends erreichte man ein Dickicht, durch das kurz vorher eine Anzahl großer Thiere gebrochen zu sein schienen.
    Dick Sand faßte die ganze Umgebung scharf in’s Auge.
    In einer Höhe, weit über der des menschlichen Körpers, waren die Zweige geknickt oder abgerissen. Durch das niedergetretene Gras leuchtete der Boden, der ein wenig sumpfig war, und dabei sah man die Abdrücke von Tatzen, welche Jaguaren oder Couguaren nicht angehören konnten.
    Waren es nun »Ais« oder andere Faulthiere gewesen, die den Erdboden so gezeichnet hatten? Wie sollte man dann aber das Abbrechen der Zweige in so großer Höhe erklären?
    Elefanten hätten wohl dergleichen Fußspuren hinterlassen und eine solche Oeffnung in das Dickicht reißen können. Elefanten giebt es aber in Amerika nicht. Diese ungeheueren Dickhäuter gehören der Neuen Welt nicht weder ursprünglich an, noch hat man sie jemals daselbst acclimatisirt.
    Die Hypothese, daß hier Elefanten vorüber gekommen seien, erschien also ganz unzulässig.
    Was hier auch vorlag, jedenfalls machte Dick Sand Niemand von seinen Gedanken über diese unerklärliche Erscheinung Mittheilung. Er fragte hierüber nicht einmal den Amerikaner. Wessen hatte er sich auch von einem Manne zu versehen, der versucht hatte, ihm Giraffen für Strauße auszugeben? Harris hätte gewiß irgend eine mehr oder weniger plausible Erklärung bei der Hand gehabt, die an der gegebenen Lage doch nichts zu ändern im Stande war.
    Doch wie dem auch sei, Dick Sand’s Urtheil über Harris stand nun fest. Er sah ihn für das, was er war, für einen Verräther an! Er wartete nur noch auf die Gelegenheit, seine Nichtswürdigkeit vollständig zu beweisen, und Alles

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