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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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alter Tom? fragte Dick Sand mit dem ruhigen Tone eines Mannes, der auf Alles gefaßt ist.
    – Da… da…, flüsterte Tom, unter jenen Bäumen… Blutspuren!… Und dort… auf der Erde… verstümmelte Gliedmaßen!…«
    Dick Sand eilte nach der vom alten Tom bezeichneten Stelle. Dann kam er zurück und sagte:
    »Schweig’ Tom, schweig’ nur jetzt!«
    Wirklich lagen dort auf der Erde abgeschnittene Hände und neben diesen menschlichen Ueberresten einige zerbrochene Zwingen und eine gesprengte Kette.
    Zum Glück hatte Mrs. Weldon dieses grausige Bild nicht gesehen.
    Harris hielt sich bei Seite, und wer ihn jetzt beobachtet hätte, würde über die Veränderung betroffen gewesen sein, die mit ihm vorgegangen war. Aus seinem Antlitz sprach eine trotzige Wildheit.
    Dingo war Dick Sand nachgelaufen und bellte wüthend vor diesen blutigen Ueberbleibseln.
    Der Leichtmatrose hatte große Mühe, ihn davon wegzutreiben.
    Der alte Tom stand beim Anblick dieser Zwingen und der zersprengten Kette unbeweglich da, als seien seine Füße im Erdboden festgewurzelt. Die Augen weit geöffnet, die Hände krampfhaft geballt, starrte er darauf hin und murmelte unzusammenhängende Worte.
    »Ich sah sie… ich sah sie schon früher… diese Zwingen… noch ganz klein… da hab’ ich sie gesehen!…«
    Offenbar erwachten in ihm wieder einige dunkle Erinnerungen aus seiner frühesten Kindheit. Er wollte sprechen.
    »Schweig’, lieber Tom! wiederholte Dick Sand, um Mistreß Weldon, um unser Aller willen, schweig’!«
    Der Leichtmatrose führte den alten Tom weg
    In einiger Entfernung wurde ein anderer Platz ausgewählt und Alles für die Nacht vorbereitet.
    Eine Mahlzeit ward aufgetragen, doch kaum angerührt. Die Ermüdung besiegte den Hunger. Alle unterlagen dem unerklärlichen Eindrucke einer Unruhe, welche fast an Schrecken grenzte.
    Allmälig sank die Dunkelheit herab. Bald war es tiefe Finsterniß. Der Himmel hatte sich mit mächtigen Gewitterwolken bedeckt. Am westlichen Horizonte sah man zwischen den Bäumen manchmal etwas Wetterleuchten. Der Wind hatte sich gelegt, kein Blättchen rührte sich in den Bäumen. Auf das Geräusch des Tages folgte eine Todtenstille; man hätte glauben mögen, die von Elektricität gesättigte, bleischwere Atmosphäre sei nicht mehr im Stande, Schallwellen fortzupflanzen.
    Dick Sand, Austin und Bat wachten miteinander. Sie bemühten sich, in der dunklen Nacht zu sehen und zu hören, ob irgend ein Lichtschein, irgend ein verdächtiges Geräusch ihre Augen oder Ohren träfe. Nichts unterbrach indeß weder die Ruhe, noch die Finsterniß des Waldes. Tom, der weniger erschöpft, als in seine Erinnerungen versunken war, blieb unbeweglich, als hätte ihn ein Blitzstrahl getroffen.
    Mrs. Weldon wiegte ihr Kind im Arme und hatte keine Gedanken für etwas Anderes.
    Vetter Benedict war vielleicht der Einzige, welcher schlief, da sich auf ihn die allgemeine Stimmung nicht übertrug. So weit ging sein Vorgefühl eben nicht.
    Plötzlich gegen elf Uhr ertönte ein langes, dumpfes Gebrüll, dem sich ein scharfer, lauter Ton beimischte.
    Tom sprang auf und wies mit der Hand nach einem höchstens eine Meile entfernten dichten Gebüsche.
    Dick Sand ergriff seinen Arm, konnte aber nicht hindern, daß Tom noch mit lauter Stimme ausrief:
    »Der Löwe! der Löwe!«
    Das Brüllen, welches er in seiner Kindheit so oft gehört, mußte der alte Neger wohl wieder erkennen!
    »Der Löwe!« sagte er noch einmal.
    Dick Sand vermochte sich nicht länger zu bemeistern, sondern stürzte, das Jagdmesser in der Hand, nach dem Platze, den Harris einnahm.
    Harris war nicht mehr da und sein Pferd mit ihm verschwunden.
    In Dick Sand’s Geiste ward es jetzt vollständig Tag… er war nicht, wo er zu sein glaubte!
    Es war also die amerikanische Küste nicht, an der der »Pilgrim« aus Land kam. Auch die Osterinsel konnte es nicht gewesen sein, nach der der Leichtmatrose seine Position im Meere draußen bestimmt hatte, sondern irgend eine andere Insel, welche etwa ebenso im Westen des Continentes liegen mußte, wie die Osterinsel im Osten von Amerika!
    Während eines Theiles der Reise täuschte ihn der Compaß, wovon wir ja die Ursache kennen. Vom Sturm in falscher Richtung verschlagen, hatte er das Cap Horn umschifft und war aus dem Stillen Ocean in den Atlantischen gekommen. Ohne sein Wissen segelte das Schiff, dessen Geschwindigkeit er nur mangelhaft zu bestimmen vermochte, von dem furchtbaren Orkane getrieben, noch einmal so schnell,

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