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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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war nicht jener gesegnete Landstrich zwischen den Cordilleren und der Küste mit seinen vielen Ortschaften und den für jeden Reisenden ohne Unterschied gastfreundlich geöffneten Missionen. O, sie lagen so weit von hier, jene Gestade von Peru und Bolivia, nach welchen hin der langandauernde Sturm den »Pilgrim« ohne Zweifel getrieben hätte, wenn ihn damals nicht eine verbrecherische Hand auf falschen Kurs lenkte, jene Länder, wo die Schiffbrüchigen ohne Schwierigkeit Gelegenheit gefunden hätten, in ihre Heimat zurückzukehren.
    Das war das schreckliche Angola, und dazu nicht einmal jener von den portugiesischen Behörden einigermaßen überwachte Theil der Küste, sondern das Innere der Kolonie, welches die Sklaven-Karawanen unter der Peitsche der Havlidars durchziehen.
    Was wußte Dick Sand wohl von dem Lande, nach dem der Verrath ihn gebracht hatte? Nur wenig, er kannte die Berichte der Missionäre des 16. und 17. Jahrhunderts, die dürftigen Nachrichten der Händler, welche von San Pablo de Loanda über San Salvador nach Zaïre ziehen, und das, was Doctor Livingstone bei Gelegenheit seiner Reise vom Jahre 1853 darüber veröffentlicht hatte, hätte hingereicht, eine minder starke Seele als die seine gänzlich niederzudrücken.
    In der That, die augenblickliche Lage war entsetzlich!
Zweites Capitel.
Harris und Negoro.
    Am nächsten Morgen des Tages, da Dick Sand und seine Begleiter zum letzten Male ihr Lager im Urwald aufgeschlagen zu haben glaubten, trafen sich, offenbar in Folge vorgängiger Verabredung, zwei Männer, etwa drei Meilen von dem Ruheplatze der Reisegesellschaft.
    Diese beiden Männer waren Harris und Negoro, und der Leser wird aus dem Folgenden ersehen, inwiefern der Zufall eine Rolle spielte, der den von Neu-Seeland kommenden Portugiesen mit dem Amerikaner, der in Folge seines Geschäftes als Sklavenhändler diese Provinz West-Afrikas häufig zu durchreisen genöthigt war, an der Küste von Angola zusammenführte.
    Negoro und Harris hatten sich am Fuße einer mächtigen Banane niedergesetzt, am geneigten Ufer eines brausenden Bergbaches, der zwischen einer Doppelreihe von Papyrusstauden dahinfloß.
    Die Unterhaltung begann eben, denn der Portugiese und der Amerikaner hatten sich nur diesen Augenblick erst getroffen, und betraf zunächst die Vorkommnisse der letzten Stunden.
    »Nun, Harris, sagte Negoro, Du vermochtest also die kleine Gesellschaft des Kapitän Sand, wie sie den fünfzehnjährigen Jungen zu nennen belieben, nicht tiefer nach Angola hineinzuführen?
    – Nein, Kamerad, erwiderte Harris, es wundert mich sogar, daß es mir gelang, sie mindestens hundert Meilen von der Küste wegzuschleppen. Seit einigen Tagen beobachtete mich mein Freund Dick Sand mit sehr unruhigen Blicken, sein Verdacht bildete sich allmälig zur Gewißheit aus, und meiner Treu…
    – Noch hundert Meilen, und jene Leute wären noch sicherer unserer Gewalt verfallen gewesen. Doch entwischen dürfen sie uns auf keinen Fall!
    – O, wie könnten sie das? antwortete Harris achselzuckend. Doch ich wiederhole Dir, Negoro, es war höchste Zeit, sich aus ihrer Gesellschaft wegzustehlen. In meines jungen Freundes Augen las ich es zehnmal, daß er nicht übel Luft hatte, mir eine Kugel in den Leib zu jagen, und ich habe einen zu schwachen Magen, um solche Bohnen, zwölf auf’s Pfund, zu verdauen!
    – Schon gut! meinte Negoro; ich für meine Person habe mit jenem Novizen auch noch ein Hühnchen zu rupfen…
    – Was Du mit ihm, wie es Deinem Interesse entspricht, abmachen wirst. Was mich betrifft, so bemühte ich mich während der ersten Reisetage, und zwar mit Erfolg, ihm diese Provinz für die Einöde von Atacama, die ich früher einmal besucht habe, auszugeben; da meldete sich aber der kleine Knirps, der seine Kautschukbäume und Kolibris haben wollte, da verlangte seine Mutter nach Chinabäumen, und der Herr Vetter, der sich’s nun einmal in den Kopf gesetzt hatte, Cocuyos fangen zu wollen!… wahrhaftig, ich war mit meinem Latein zu Ende, und nachdem ich ihnen noch mit Müh’ und Noth Giraffen für Strauße aufgeschwatzt hatte – ja, das ist meine Entdeckung, Negoro! – wußte ich wahrlich nichts mehr zu erfinden. Ich sah übrigens recht gut, daß mein junger Freund von allen meinen Erklärungen kein Wort mehr glaubte. Dann trafen wir gar noch auf Wegspuren von Elefanten! Weiterhin kommen uns auch noch Flußpferde in die Quere, und Du weißt wohl, Negoro, Flußpferde und Elefanten in Amerika giebt’s

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