Ein Kapitän von 15 Jahren
ebensoviel wie Ehrenmänner unter den Sträflingen von Benguela! Um das Maß ganz voll zu machen, stöbert der alte Neger am Fuße eines Baumes auch einige Ketten und Fesseln auf, von denen sich ein Paar Sklaven auf der Flucht befreit haben mochten. Gleichzeitig brüllt unnützer Weise ein Löwe, daß es ringsum widerhallt, und es ist eine verteufelte Aufgabe, Jemandem einzureden, daß sein Gebrüll von einer unschuldigen Katze herrühre – mit einem Worte, ich mußte eilen, mein Pferd zu erlangen und hierher zu kommen!
– Ich verstehe, antwortete Negoro. Alles in Allem hätte ich sie aber doch lieber hundert Meilen weiter im Lande!
– Man thut eben, was man kann, Kamerad, erwiderte Harris. Du hast, während Du unserem Zuge von der Küste her folgtest, gut daran gethan, gehörige Distanz zu halten. Man witterte Dich in der Nähe! Da war ein gewisser Dingo, der Dir gar nicht grün zu sein schien. Was hast Du dem Thiere denn gethan?
– Ich – nichts, erklärte Negoro, aber eine Kugel kriegt er bald vor den Kopf.
– So wie’s Dir durch Dick Sand ergangen wäre, wenn Du Dich nur zum kleinsten Theile zweihundert Schritt vor seiner Büchse hättest sehen lassen. O, er schießt recht gut, mein junger Freund, und, unter uns, ich muß gestehen, daß er in seiner Art ein ganz tüchtiger Kerl ist.
– Das thut nichts, Harris, er soll mir seine Anmaßung noch theuer bezahlen, antwortete Negoro, dessen Physiognomie den Ausdruck unversöhnlicher Grausamkeit annahm.
– Schön, murmelte Harris, mein Kamerad ist noch der alte geblieben, wie ich ihn von jeher kannte. Das Reisen hat ihn nicht umgewandelt!«
Dann fuhr er nach kurzem Stillschweigen fort:
»Nun sag’ mir aber, Negoro – als ich Dir da unten an dem Schauplatze des Schiffbruches, an der Mündung der Longa begegnete, hattest Du ja kaum Zeit, mir jene wackeren Leute zu empfehlen, mit dem Ersuchen, sie möglichst tief in das vorgebliche Bolivia hineinzuführen – erzähle mir, was Du seit zwei Jahren gemacht hast. In unserem ereignißvollen Leben sind zwei Jahre eine lange Zeit! Da hast Du so eines schönen Tages nach übernommener Führung einer Sklaven-Karawane für den alten Alvez, dessen dienstfertige Agenten wir ja sind, Cassange verlassen und Niemand hat ein Sterbenswörtchen wieder von Dir gehört! Ich glaubte schon, Du hättest mit den englischen Kreuzern eine kleine Unannehmlichkeit gehabt und eine fest zusammengedrehte Hanfcravate um den Hals bekommen.
– Es fehlte nicht viel, Harris.
– O, das kommt noch, Negoro
– Ich danke!
– Was willst Du? antwortete Harris mit wahrhaft philosophischem Gleichmuth, das ist eine der Annehmlichkeiten unseres Geschäftes. Sklavenhandel treibt man an der Küste Afrikas nicht, ohne die verlockende Aussicht, anderswo als in seinem eigenen Bette zu sterben. Doch erzähle, Du bist abgefangen worden!
– Ja.
– Von den Engländern?
– Nein, von den Portugiesen.
– Vor oder nach Ablieferung Deines Cargo?
– Nachher… erwiderte Negoro, der mit der Antwort ein wenig zögerte Diese Portugiesen spielen jetzt die Empfindsamen! Sie wollen keine Sklaverei mehr, nachdem sie von dieser so lange Zeit ihren Nutzen gehabt haben. Ich war denuncirt, überwacht. Man hat mich gefangen…
– Und verurtheilt?…
– In San Pablo de Loanda meine Tage als Sträfling zu beschließen.
– Tausend Teufel! rief Harris, in der Strafanstalt! Das ist ein ungesundes Gasthaus für Leute, die gleich uns daran gewöhnt, in freier Luft zu leben. Ich für meinen Theil hätte es vielleicht vorgezogen, gehenkt zu werden!
– Vom Galgen giebt’s keine Flucht mehr, entgegnete Negoro, doch aus dem Gefängniß…
– Ah, Du bist durchgegangen?…
– Ja wohl, Harris! Schon vierzehn Tage nach meiner Einlieferung in den Bagno gelang es mir, mich im Raume eines nach Auckland auf Neu-Seeland abfahrenden Dampfers zu verbergen. Ein Faß mit Wasser und eine Kiste mit Conserven, zwischen welchen beiden ich mich vergraben hatte, lieferten mir Nahrung während der ganzen Ueberfahrt. O, ich habe viel ausgestanden, um mich, als wir auf offener See waren, nicht zu zeigen. Wäre ich aber so thöricht gewesen, es zu thun, so hätte man mich einfach wieder in den Raum eingesperrt und die Tortur blieb dieselbe. Bei der Ankunft in Auckland hätte man mich jedenfalls den britischen Behörden übergeben und endlich nach der Verbrecher-Kolonie von Loanda zurückgeschickt, oder wie Du meintest, vielleicht gar aufgeknüpft – aus allen diesen Gründen zog
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