Ein Kapitän von 15 Jahren
Sklaven zu erbeuten, immer in bestimmten Zwischenräumen.
Der Leser begreift nun wohl die schreckliche Wirkung der Worte Dick Sand’s, als er ausrief:
»Afrika! Das äquatoriale Afrika! Das Land der Sklavenhändler und der Sklaven!«
Er täuschte sich wirklich nicht: das war Afrika mit allen, ihm und seinen Gefährten drohenden Gefahren.
An welcher Stelle des afrikanischen Continentes aber hatte ein wirklich unerklärliches Geschick ihn aus Land geworfen? Offenbar an einem Punkte der Westküste und leider – glaubte der junge Leichtmatrose annehmen zu müssen, daß der »Pilgrim« an dem Gestade von Angola gescheitert sei, d.h. gerade an dem Ausfuhrplatze, nach welchen die, diesen Theil Afrikas so schwer schädigenden Karawanen zu ziehen pflegen.
In der That, hier war es. Es war das Land, welches Cameron im Süden und Stanley im Norden einige Jahre später, aber um den Preis welcher Mühsale und Entbehrungen, durchzogen! Von diesem ausgedehnten, aus den drei Provinzen Benguela, Congo und Angola bestehenden Gebiete kannte man bisher nur den Landstrich an der Küste. Er erstreckt sich von dem Nourse im Süden bis zum Zaïre oder Congo im Norden, während zwei bedeutendere Städte, nämlich Benguela und San Pablo de Loanda, die Hauptplätze der zu Portugal gehörigen Kolonie, dessen Häfen bilden.
Weiter im Innern war diese Gegend bisher so gut wie unbekannt. Nur ganz vereinzelte Reisende hatten dieselbe zu betreten gewagt. Ein verderbliches Klima, feuchtwarme Ländereien, welche die Brutstätten der Fieber sind, wilde Eingeborne, von denen nicht wenige noch zu den Kannibalen gehören, der Krieg ohne Ende von Stamm zu Stamm, das lauernde Mißtrauen der Sklavenhändler gegenüber jedem Fremden welcher ihnen stets nur in die Geheimnisse ihres fluchbeladenen Handels eindringen zu wollen scheint, das sind so die zu überwindenden Schwierigkeiten, die zu besiegenden Gefahren in der Provinz Angola, dem gefahrenreichsten Landestheile des ganzen äquatorialen Afrika.
Im Jahre 1816 war Turkey längs der Ufer des Congo bis über die Wasserfälle von Yellala, d.h. eine Strecke von höchstens zweihundert (englischen) Meilen vorgedrungen. Eine eingehendere Kenntniß des Landes wurde durch diesen kurzen Zug natürlich nicht gewonnen, und doch kostete er den meisten Gelehrten und Officieren, welche jene Expedition unternahmen, das Leben.
Siebenunddreißig Jahre später wagte sich Livingstone vom Cap der Guten Hoffnung aus bis nach dem oberen Zambesi. Von dort aus durchreiste er, seit November 1853, mit bisher unübertroffener Kühnheit Afrika von Süden nach Nordwesten, überschritt den Coango, einen der Nebenströme des Congo, und kam am 31. Mai 1854 in San Pablo de Loanda an. Das war die erste Reise durch das unbekannte Hinterland der großen portugiesischen Kolonie.
Achtzehn Jahre später unternahmen es zwei kühne Entdeckungsreisende, Afrika von Osten nach Westen zu durchstreifen und unter Nichtachtung geradezu unerhörter Schwierigkeiten, der Eine im Süden, der Andere im Norden von Angola die entgegengesetzte Küste zu erreichen.
Die wilden Thiere nahmen von den verwüsteten Ländereien Besitz. (S. 229.)
Der erste der Genannten war der Lieutenant in der englischen Marine Verney-Howet Cameron. Im Jahre 1872 hatte man alle Ursache, die zur Aufsuchung Livingstone’s nach dem Gebiete der großen Seen entsendete Expedition des Amerikaners Stanley gefährdet zu glauben. Lieutenant Cameron erbot sich, diesen wieder aufzusuchen. Das Anerbieten ward angenommen. Cameron reiste in Begleitung des Doctor Dillon, des Lieutenant Cecil Murphy und Robert Massats, eines Neffen Livingstones, von Zanzibar ab.
Die Unterhaltung begann eben. (S. 237.)
Nach Ueberschreitung des Ouyogo traf er die irdischen Ueberreste Livingstone’s, welche dessen treue Diener nach der Ostküste zurückführten. Mit dem felsenfesten Vorsatze, das Land von der einen Küste quer bis zur anderen zu durchreisen, setzte er nach jenem Zusammentreffen seinen Weg fort, passirte Unianyembe, Ugunda, Kahnela, wo er die Papiere des großen Reisenden vorfand und rettete, überschritt den Tanganyika, die Bergkette von Bambarre, den Loualaba, dessen Strombette er nach Besichtigung der angrenzenden, durch Krieg und Sklavenhandel entvölkerten Länder nicht weiter verfolgen konnte, durchzog ferner Kilemba, Uluda und Lavalé, nachdem er Coanze und jene ungeheuren Waldgebiete, in welche Harris Dick Sand und dessen Begleiter tief hineingeführt hatte,
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