Ein Kater in geheimer Mission - Winston: [1]
Anna gleich einen Anruf bekommt und das Haus verlässt, dann bitte, bitte, bitte versuche unter allen Umständen, sie zu begleiten. Ich brauche dich hier ganz dringend! Drei Ausrufezeichen!!!
»Kira?« Offenbar hat die Polizistin mich gerade etwas gefragt und wartet auf eine Antwort.
»Äh, ja?«
»Alles in Ordnung bei dir? Du wirkst auf einmal so weggetreten.«
»Schon gut. Alles in Ordnung. Ich musste nur gerade an etwas denken.«
»Okay. Dann rufe ich jetzt deine Mutter an.«
Ich seufze. Und hoffe sehr, dass meine Gedankenübertragung funktioniert hat.
Etwas Licht kommt ins Dunkel.
Und ein Plan wird gefasst.
»Mama!« Als Anna in das Büro auf der Polizeiwache tritt, springe ich von meinem Stuhl auf und werfe mich in ihre Arme. Gleichzeitig versuche ich, möglichst unauffällig an ihr vorbei auf den Flur zu linsen. Ob Kira mitgekommen ist? Tatsächlich! Sie sitzt direkt auf der Türschwelle und schwenkt ihren Schwanz nervös hin und her.
»Kira, was ist passiert?«, will Anna aufgeregt von mir wissen. »Wie konntest du nur auf so eine Idee kommen?«
»Genau, Winston, was hast du da angestellt?«, höre ich nun auch Kiras Gedanken.
»Also, im Wesentlichen habe ich versucht, deine Ehre zu retten«, erwidere ich.
»Bitte was? Und warum endete dieser Versuch auf einer Polizeiwache?« Kira schleicht vorsichtig in das Büro und setzt sich neben Anna, die mich immer noch im Arm hält.
»He, Sie«, spricht die Polizistin Anna daraufhin an, »haben Sie etwa ein Tier mitgebracht? Das ist hier aber nicht erlaubt!«
Anna lässt mich los und dreht sich zu der Polizistin um. »Ich weiß und es tut mir auch leid. Aber ich habe es nicht geschafft, das Haus ohne den Kater zu verlassen. Er hat sich wie verrückt aufgeführt und sich in meiner Kleidung festgekrallt. Wenn ich ihn nicht mitgenommen hätte, wäre ich jetzt noch nicht da.«
Die Polizistin zieht die Augenbrauen so hoch, dass sie fast ihren Haaransatz berühren. Man kann ihr deutlich ansehen, dass sie Anna kein Wort glaubt. Anna seufzt und versucht es mit einer anderen Erklärung.
»Na ja, und außerdem ist Winston Kiras bester Freund. Ich dachte, es wäre gut, wenn ich ihn dabeihätte. Sie klang am Telefon so aufgewühlt.«
Da hat Anna recht. Als mir die Polizistin eben kurz den Hörer reichte, habe ich mir die größte Mühe gegeben, möglichst dramatisch zu klingen. Ich dachte mir, wenn sich Anna Sorgen um mich macht, dann stimmt sie das vielleicht ein wenig gnädiger.
»Los, Winston, nimm mich auf den Arm!«, höre ich Kiras Gedanken. »Wenn Mama schon behauptet, dass sie mich zu deiner Beruhigung mitgenommen hat, musst du dich auch ein bisschen um mich kümmern. Außerdem würde sie das vielleicht ein wenig besänftigen. Sie ist nämlich echt sauer. Am besten, du lieferst eine gute Show!«
Richtig. Bevor die Polizistin Kira gleich wieder an die Luft setzt und es ein Donnerwetter von Anna gibt, sollte ich aktiv werden. Mit einem lauten Ja, wo ist denn meine Miez-Miez? bücke ich mich also zu Kira und nehme sie auf den Arm.
»Liebster Winston, ich habe dich sooo vermisst«, flöte ich dann, was das Zeug hält, und hoffe, dass meine plötzliche Tierliebe überzeugend wirkt. Ich drücke Kira ganz fest an meine Brust und vergrabe mein Gesicht in ihrem Fell.
»Ey, pass auf, ich krieg fast keine Luft mehr!« Kira faucht und ich lockere meinen Griff ein wenig. Im Schmusen mit Katzen habe ich als Mensch offenbar zu wenig Übung. Konnte ja nicht ahnen, dass Katzen so empfindlich sind!
Die Polizistin mustert mich.
»Na gut, wenn es Kira dann besser geht und sie nicht mehr weint, kann die Katze ausnahmsweise dableiben. Ich muss sowieso ein paar Formalien mit Ihnen erledigen, Frau Kovalenko. Also, Kira, dein Winston darf bleiben, wenn du ruhig hier sitzt und kein Theater machst, während ich mit deiner Mutter nebenan ein paar Sachen bespreche. Verstanden?«
Ich nicke, Anna und die Polizistin verlassen das Büro. Kira hüpft von meinem Arm und setzt sich vor mich auf die Schreibtischplatte.
»So, jetzt mal der Reihe nach: Anna war nach dem Anruf der Polizei total aufgeregt. Und deine Gedankenbotschaft habe ich überhaupt nicht richtig verstanden. Was ist eigentlich los?«
Ich gebe Kira eine kurze Zusammenfassung meines turbulenten Nachmittags. Dabei vergesse ich natürlich nicht zu erwähnen, dass ich das blöde T-Shirt nur für sie geklaut habe. Bevor ich diesen Punkt aber noch weiter erörtern kann, klappt die Tür auf und ein Polizist schaut ins Büro.
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