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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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klopfte er ebenfalls an die Tür.
    »Mum, Dad, lasst mich rein. Ich bin’s, Paul.«
    Die verschwommene Silhouette eines Mannes tauchte hinter einer schmalen, rechteckigen, gemaserten Glasscheibe in der Tür auf, und eine gereizte Stimme sagte: »Verschwinde, was willst du denn hier?«
    Trotz allem war Paul erleichtert. Ihm war bereits der Gedanke durch den Kopf geschossen, dass seine Eltern vielleicht gefesselt hinten lagen, Opfer bewaffneter Einbrecher.
    »Dad, ist Mum da? Lass mich rein.«
    »Mach, dass du verschwindest.«
    Die Erleichterung ließ allmählich nach. »Dad, was ist los? Geht es euch gut?«
    »Natürlich geht es uns gut«, sagte Gordon. »Warum denn nicht?«
    »Mum hätte heute zur Arbeit gehen sollen«, sagte Paul.
    »Sie geht nicht mehr zur Arbeit.«
    Christie und Paul sahen sich an.
    »Dad, was ist los? Wo ist Mum?«
    »Ich habe gesagt, verschwinde und lass uns in Ruhe«, sagte Gordon, und die Silhouette verschwand.
    Paul fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Das ist doch alles surreal«, sagte er. Hätte er diese Szene im Fernsehen gesehen, dann hätte er die Figuren angeschrien: Warum ruft ihr nicht die Polizei? Warum schlagt ihr nicht ein Fenster ein? Warum tut … tut ihr nicht … IRGENDETWAS?
    »Was jetzt?«, fragte Niki, inzwischen nicht mehr der Ansicht, dass seine Schwester überreagiert hatte.
    »Ich werde die Polizei verständigen«, sagte Paul, auch wenn es ihm etwas übertrieben erschien, wegen der eigenen Eltern die Polizei zu rufen. Er schüttelte den Kopf über das Szenario, in dem er sich befand, während er die erste Ziffer des Notrufs eintippte. Er wartete noch eine Sekunde ab, ob es für das alles vielleicht doch eine logische Erklärung gab – aber die gab es nicht –, dann wählte er die restlichen beiden Ziffern und hielt sich das Handy ans Ohr.
    »Gott, das ist alles so seltsam«, sagte er, während er auf die Verbindung wartete.
    »Ich denke, Sie tun das Richtige«, ermutigte ihn Niki.
    Auf der anderen Straßenseite zuckten Vorhänge. Paul wünschte, die Polizei würde sich beeilen. Seine Mutter würde sich in Grund und Boden schämen, wenn sie herauskam und dieses Spektakel vor ihrer Haustür sah. Aber sie kam nicht heraus, und er hatte höllische Angst davor, was er vorfinden würde, wenn er das Haus betrat. Es waren schließlich seine Eltern, und auch wenn er wusste, was sein Dad von ihm hielt, hätte er doch wie ein Löwe gekämpft, um zu verhindern, dass ihm irgendetwas angetan wurde. Er stellte sich vor, wie ein Mann seiner Mum eine Pistole an den Kopf hielt und seinem Dad sagte, er solle die Leute an der Tür verscheuchen. Was, wenn dieser Satz – »Mum geht nicht mehr zur Arbeit« – ein versteckter Hinweis darauf sein sollte, dass bei ihnen doch nicht alles in Ordnung war? Alle möglichen entsetzlichen, absurden Erklärungen schossen ihm durch den Kopf. Er versuchte noch einmal, durch den Briefschlitz mit seinem Vater zu reden.
    »Dad, lass mich rein. Ist mit Mum alles okay?«
    Keine Antwort.
    Paul versuchte, über das schwere hölzerne Tor zu klettern, aber es war zu hoch, selbst dann noch, als er die Komposttonne herüberzerrte und sich darauf stellte, während Niki sie für ihn festhielt. Und das Tor war von innen zu fest verschlossen, um es mit der Schulter aufzudrücken. Er konnte knapp in den Garten spähen, aber auch da gab es keinen Hinweis darauf, was im Haus los sein könnte; nichts war in Unordnung, keine Scheiben eingeschlagen. Die drei standen da und horchten, nicht sicher, was sie tun sollten, bis zehn Minuten später ein Streifenwagen um die Ecke bog.
    Ein stämmiger Polizeisergeant und ein jüngerer Constable sprangen aus dem Wagen. Paul erläuterte ihnen das Wenige, das er wusste. Der Sergeant vergewisserte sich, dass die Haustür abgesperrt und das Tor nicht passierbar war. Er rief durch den Briefschlitz und drückte auf die Klingel, aber es kam keine Antwort. Dann traf er rasch eine Entscheidung.
    »Machen wir uns auf das Schlimmste gefasst«, sagte er wie ein Mann, der so etwas schon oft erlebt hatte. Der Constable ging augenblicklich zum Kofferraum, wo die große Türramme aufbewahrt wurde. Er setzte seinen Schutzhelm und die Schutzbrille auf und streifte die Handschuhe über, die daneben lagen, während der Sergeant fest gegen die Tür hämmerte und noch einmal durch den Briefschlitz rief.
    »Mr. Beamish, hier spricht die Polizei. Würden Sie bitte diese Tür öffnen, Sir?«
    Es kam keine Antwort. Der Sergeant zückte einen stählernen

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