Ein Kerl macht noch keinen Sommer
untersagt war. Aber Christie würde sich bei allen Beteiligten dafür entschuldigen, sobald sie sich vergewissert hatte, dass mit ihrer Kollegin alles in Ordnung war. Sie rief an, und wie es ein dummer Zufall wollte, war die Leitung tot. Dann hatte sie einen Geistesblitz. Sie rief Niki in der Praxis an. Er musste die Kontaktdaten für ihren Enkel in seinen Unterlagen haben. Auf diesem Weg könnte sie Grace’ Tochter erreichen – das war immerhin ein Anfang.
»Wofür willst du denn ihre Nummer?«, fragte er.
»Grace ist nicht zur Arbeit gekommen. Ich mache mir ein bisschen Sorgen um sie. Ich überlege, ob ich nicht bei ihr zuhause vorbeischauen sollte, wenn ich sie nicht erreichen kann.«
»Christie, um Gottes willen …«
»Niki, ausgerechnet du weißt doch, wie ich bin.«
»Ja, leider.« Niki seufzte entnervt auf. »Wo wohnt sie denn?«
»32, Powderham Crescent, in Penistone.«
»Du solltest da wirklich nicht hinfahren, weißt du. Das ist nicht deine Aufgabe als Chefin.«
»Ich würde nicht als ihre Chefin hinfahren, Niki. Ich würde als ihre Freundin hinfahren.«
»Hör mal«, seufzte Niki, als er diesen unnachgiebigen, sturen Ton in der Stimme seiner Schwester erkannte. »Wenn du allen Ernstes dorthin fahren willst, dann treffen wir uns dort. Ich will nicht, dass du dir da irgendwelchen Ärger einhandelst oder zu Schaden kommst.«
»Ich werde auf jeden Fall hinfahren, aber du musst nicht auch kommen«, protestierte Christie, aber sie wusste, dass er ebenso stur war wie sie. Einer ihrer Vorfahren musste ein Maulesel gewesen sein.
Christie rief Laura auf dem Handy an. Es surrte so oft, dass sie jeden Augenblick damit rechnete, die Mailbox würde sich einschalten, aber im letzten Moment meldete sich eine weibliche Stimme.
»Hallo«, sagte Christie. »Entschuldigen Sie, Sie kennen mich nicht – ich arbeite mit Ihrer Mutter zusammen, und wir sind ein bisschen besorgt, weil sie noch nicht zur Arbeit gekommen ist. Haben Sie vielleicht eine Kontaktnummer von ihr, damit ich mich vergewissern kann, dass wir hier in unseren Unterlagen die richtige haben? Und ihre Handynummer, bitte?«
»Ja, ja, natürlich«, beeilte sich Laura zu sagen. »Wir sind eben auf dem Rückweg von …« Dann brach die Verbindung ärgerlicherweise ab. Sekunden später klingelte es in Christies Hand wieder. Laura nannte ihr die Privatnummer, die leider dieselbe war wie die in Grace’ Personalakte, dann gab Laura ihr Grace’ Handynummer durch, und als sie eben fertig war, brach die Verbindung wieder ab, und sooft Christie sie auch zurückrief, sie erreichte nur noch die Mailbox.
Sie wählte Grace’ Handynummer und wurde auch dort sofort auf die Mailbox umgeleitet. Ihre entzückende Stimme bat den Anrufer, eine Nachricht zu hinterlassen, was Christie tat. »Grace, hier ist Christie. Ich bin auf der Arbeit. Kannst du uns kurz Bescheid geben, dass es dir gut geht? Kannst du mich unter meiner Durchwahl im Büro anrufen?« Dann hinterließ sie die Nummer. Sie rief noch einmal bei Grace zuhause an. Wieder hörte sie nur dieses Surren der toten Leitung. Christies Intuition sagte ihr klar und deutlich, dass da irgendetwas nicht stimmte. Vor allem angesichts des Gesprächs, das sie und Grace kürzlich im Büro geführt hatten, als Grace gesagt hatte, bei ihnen zuhause liefe es im Moment nicht so gut. Sie würde das Risiko eingehen, sich später sagen zu lassen, sie hätte überreagiert.
»Ich komme nicht zu ihr durch. Weiß eine von euch zufällig, wo …«, sie warf noch einmal einen Blick auf die Adresse, die die Personalabteilung ihr eben genannt hatte, »… der Powderham Crescent ist? Ohne verdammte Postleitzahl! Diese Idioten in der Personalabteilung!« Christie fauchte über die Unfähigkeit der Abteilung genau unter ihren Füßen.
»Das ist in dieser riesigen Siedlung in der Nähe von Penistone«, sagte Raychel. »Kurz bevor man in die Stadt kommt, nach dem großen Kreisverkehr auf der linken Seite. Sie hat mir gesagt, dass sie dort wohnt.«
»Ich glaube, ich fahre dort mal kurz vorbei«, sagte Christie.
»Ist das nicht ein bisschen … übertrieben?«, fragte Anna zögernd.
»Ich weiß nicht«, sagte Christie. »Aber irgendetwas stimmt da nicht, da bin ich mir sicher. Ja, wahrscheinlich ist es wirklich ein bisschen übertrieben, aber solange ich mir diese Sorgen mache, könnte ich heute sowieso keine Arbeit erledigen, dann kann ich genauso gut dorthin fahren.«
»Solange du nicht wie ein Sondereinsatzkommando in ihr Haus
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