Ein Kerl macht noch keinen Sommer
zeigte sie mit einem Finger auf Dawn, »musst auf das hören, was dein Herz dir sagt. Mehr habe ich zu dem Thema nicht zu sagen.«
Nachdem die anderen gegangen waren, wartete Dawn an der Bar und sah der Band zu. Al Holly hob den Kopf und lächelte ihr zu, und das war für sie, als würde sie von der Sonne mit voller Kraft angestrahlt und fast zum Schmelzen gebracht. Sie dachte an Al Hollys Lippen, die sich auf ihre pressten, und so falsch es auch sein mochte, sie kämpfte nicht gegen die Fantasie an. Was hatte Christie gleich wieder gesagt – sie sollte auf ihr Herz hören? Sie konnte gar nicht anders, als auf ihr Herz zu hören, denn es schrie sie an und machte ihr Angst.
Als die Band fertig war, kam Al wie immer sofort zu ihr herüber.
»Hi«, sagte er.
»Hi, Partner«, sagte Dawn. Nächste Woche wird er nicht mehr hier sein. Du wirst Calums »Partnerin« sein, die angesehene Mrs. Crooke, und eine andere Band wird auf dieser Bühne spielen. Die Worte trafen sie mit voller Wucht aus dem Hinterhalt.
»Und, hattest du eine schöne Woche?«, fragte er.
»Ja, war okay. Und du?«
»Ich habe mich gefragt, ob du mich anrufst.«
»Um was zu sagen?«
»›Hallo‹ vielleicht.« Seine Augen waren hell, ein sanftes Grünbraun. Sie sahen sie an, als würde ihnen gefallen, was sie in letzter Zeit so oft sahen. Es tat fast weh, diesen Blick zu erwidern.
»Aber das wäre doch nicht richtig, oder? Dass ich dich anrufe, wenn …« Ich nächste Woche jemand anders heirate . Sie wollte die Worte nicht laut aussprechen.
»Dawny, kannst du kurz mitkommen? Ich muss dir was zeigen«, sagte er auf einmal eindringlich.
»Na klar.« Dawn folgte ihm, als er entschlossen an den Leuten an der Bar vorbei und zur Tür hinausging. Sie konnte kaum mit ihm Schritt halten, so groß waren seine eigenen. Er winkte ihr über die Schulter zu, ihm zu folgen, während er den Biergarten durchquerte, vorbei an den Bänken mit Gruppen und Pärchen und weiter bis zu der Stelle, wo die Beleuchtung aufhörte und das Gras hinter dem Pub zum Wald hin abfiel.
»Sieh mal!«, sagte er.
»Was denn?«, sagte Dawn, die nichts als einen Haufen Bäume und eine Grasböschung sah.
»Der Mond«, sagte er.
Dawn sah hoch. Sie wusste, dass es einen Tag vor Vollmond war, denn Anna würde morgen auf ihren Vollmondball gehen, aber er sah auch jetzt schon verdammt voll aus. Er war riesig, wie ein perfektes Loch im Himmel, eine Pforte zu einer anderen Welt, wo alles strahlend erleuchtet und klar und unkompliziert war. Aber es gab jeden Monat einen Vollmond, und Al tat, als sei er über dreißig Jahre in einem Schrank eingesperrt gewesen und hätte noch nie einen gesehen.
»Er ist wunderschön.« Sie hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, da er sie so erwartungsvoll ansah. »Du magst den Mond, stimmt’s?«
»Dawny.« Er schien schwer mit sich zu ringen, denn er schüttelte den Kopf, blies die Wangen auf und atmete aus, als litte er Schmerzen. Dann nahm er seine ganze Kraft zusammen und stürzte sich kopfüber in eine Rede, die er offensichtlich nicht vorbereitet hatte.
»Ich sollte das hier nicht tun, ich weiß. Ich habe dich nicht hierhergeführt, um dir den Mond zu zeigen. Ich habe dich hierhergeführt, um dich unter diesem Mond zu küssen. Nur ein einziges Mal.«
O Gott, o Gott! »Ach ja?«
»Ja, Ma’am«, sagte Al Holly, und obwohl jeder Nerv in Dawn Soles Körper sie beschwor, jetzt die Reißleine zu ziehen, da sie Gefahr lief, Pforten in sich zu öffnen, neben denen der Mond wie ein Nadelstich aussehen würde, stand sie nur reglos da und ließ zu, dass Al Holly den Arm um sie legte, ihren Kopf sanft nach hinten hielt und ganz langsam seine süßen Lippen auf ihre drückte. Und es war in jeder Hinsicht so gut wie ihre Fantasie.
Als er zwischendurch nach Luft schnappte, tat sie dasselbe, mit der festen Absicht, ihn wegzustoßen, aber stattdessen füllte sie ihre Lungen mit Sauerstoff und ließ sich wieder von ihm küssen. Sein Körper war so warm und kräftig an ihrem, und er hatte die Arme so fest, aber sanft um sie gelegt, als würde er etwas Kostbares und Zartes in Händen halten. Sie atmete seinen Geruch tief in sich ein, ein würziges Aftershave, seine Haut und einen Hauch Pfefferminz. Und als ihr Kuss sich sanft seinem Ende zuneigte, japste sie bei seinen Worten noch mehr nach Luft als ein Lachs, der eben aus einem Fluss auf einen trockenen Betonklotz gesprungen ist.
»Dawny Sole, du und ich, wir wissen beide, dass du niemand anders als mich
Weitere Kostenlose Bücher