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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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erbärmliche Frau hassen, aber es gelang ihr nicht wirklich. Mitleid, Abscheu und Wut wirbelten wild in ihr – aber kein Hass.
    »Es ist nicht nur das.« Bev hüstelte, um die Heiserkeit in ihrer Stimme zu vertreiben. »Da ist noch mehr.«
    »Was denn?«, fragte Elizabeth, als Bev ihr Gesicht in den Händen vergrub und immer wieder »O Gott« seufzte.
    »Es ist … ich bin mir nicht hundertprozentig sicher …«
    Elizabeth war davon ausgegangen, dass Bev sich nur entschuldigen wollte. Was konnte es denn sonst noch geben? »Nicht sicher, dass was?«
    »Erinnerst du dich noch an die Siddalls in der Schule? Ich glaube, sie hatten in jedem Jahrgang ein Mädchen. Charlene Siddall ging in meine Klasse. Sie hatte einen Zwillingsbruder, der auf eine Jungenschule ging: Michael.«
    »Ich kann mich an sie erinnern«, sagte Elizabeth, nicht sicher, worauf Bev hinauswollte. Aber sie erinnerte sich an die Siddalls: eine rüpelhafte, große Familie. Der Name tauchte noch immer hin und wieder im Barnsley Chronicle auf, im Allgemeinen im Zusammenhang mit Drogen, Gewalt und Ladendiebstahl.
    »Ich hatte mal Sex mit Michael Siddall«, fuhr Bev fort.
    Jetzt war Elizabeth verwirrt. »Was hat das denn mit Ra … Lorraine zu tun?«
    Bev holte einmal tief Luft, um Kraft zu schöpfen, aber das grausame Geheimnis, das sie über achtundzwanzig Jahre lang gehütet hatte, kam nur im Flüsterton ans Licht.
    »Er könnte Lorraines Dad sein. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, er könnte es sein.«
    »Was?«
    »Als Baby sah sie ihm ähnlich. Sag ihr, es tut mir leid, so leid.«
    Bev begann, leise in ihre Hände zu schluchzen, während Elizabeth versuchte, diese Information zu verarbeiten: dass Raychel vielleicht gar nicht das Kind einer Inzestbeziehung war, dass sie vielleicht doch Kinder bekommen konnte.
    »Mein Gott. Warum hast du ihr das nicht schon längst gesagt?« Elizabeth konnte es nicht fassen. Warum hatte Bev so etwas für sich behalten? Warum hatte sie ihrer Tochter erzählt, sie sei aus einer Inzestbeziehung entstanden, wenn das vermutlich gar nicht der Fall war?
    »Ich war damals ein völlig anderer Mensch. Ich war verletzt, und ich wollte selbst verletzen.«
    Da wusste es Elizabeth. Bev hatte ihre Tochter für das hassen und bestrafen wollen, was sie selbst durchgemacht hatte. Es war so verkorkst, dass ihr fast körperlich schlecht wurde.
    Bev spielte noch immer mit ihrer Halskette, und als Elizabeth sah, dass es ein Kruzifix war, rastete sie fast aus. Sie war mit zwei großen Schritten bei ihr, zerrte Bev an den Rändern ihrer zerschlissenen Strickjacke hoch und schleuderte sie gegen die Wand.
    »Du hast einem kleinen Mädchen erzählt, ihr Vater sei ihr Opa, obwohl du es nicht sicher wusstest? Was bist du nur für ein Tier!«
    Bev kreischte auf, aber sie versuchte nicht, sich zu verteidigen. »Ich weiß, ich weiß, es tut mir leid. Es tut mir leid, was ich getan habe. Und es tut mir leid, dass ich dich im Stich gelassen habe. Es tut mir leid, dass ich abgehauen bin und niemandem etwas gesagt habe, um dich zu schützen.« Sie zuckte zusammen, wartete auf den Schlag, der nicht kam. Aber Elizabeth lockerte ihren Griff. Noch mehr Gewalt würde zu nichts führen. Davon hatte sie genug erlebt. Bev blieb zusammengekauert an der Wand sitzen.
    »Ich werde ihr sagen, was du mir erzählt hast.« Elizabeth beruhigte sich allmählich. Sie wollte jetzt nachhause fahren und sich überlegen, wie sie das alles Raychel beibringen sollte. Nur eines gab es noch zu tun: den Grund, weshalb Elizabeth ihre Schwester überhaupt hatte sehen wollen. Sie griff in ihre Handtasche, zückte einen Scheck und drückte ihn Bev in die Hand.
    »Als Dad starb, habe ich sein Haus verkauft. Ich habe das Geld auf ein Konto für dich eingezahlt, für den Fall, dass ich dich je finden sollte. Ich habe nie auch nur einen Penny davon angerührt. Es gehört von Rechts wegen dir.«
    Bev sah völlig ausdruckslos auf den Scheck. Dann streckte sie langsam die Hand nach Elizabeth aus. »Es ist Bev Colliers Geld«, sagte sie. »Aber hier gibt es keine Bev Collier.«
    »Aber da steht ja auch nirgends ›Bev Collier‹. Ich habe die Empfängerzeile frei gelassen. Ich wusste nicht, welchen Namen ich daraufschreiben sollte«, sagte Elizabeth.
    »Egal, welchen Namen du daraufschreibst, es ist immer noch Bev Colliers Geld, und diesen Menschen gibt es nicht mehr.«
    »Es gehört trotzdem dir.«
    Bev hatte die Hand noch immer ausgestreckt. »Ich will es nicht.«
    »Du hast diesen

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