Ein Kerl macht noch keinen Sommer
Ton.
»Aber ich muss wirklich mit meiner Tochter reden«, sagte Bev. »Ich muss sie sehen.«
»Rede stattdessen mit mir. Sie will dich nicht sehen, Bev.«
»Sie hat mir geschrieben und …«
»Ich habe diesen Brief geschrieben – mit ihrem Einverständnis natürlich. Ich war mir nicht sicher, ob du dich bereiterklären würdest, mich zu sehen.«
»Oh.«
»Sie hat mir alles erzählt, und ich muss sagen, ich kann es ihr nicht verdenken, dass sie nicht selbst kommen wollte.«
Bev legte ihren Löffel in die Spüle. »Ich hatte gehofft, sie würde mich sehen wollen, nur ein einziges Mal. Ich wusste, dass sie mich nicht öfter sehen wollen würde. Da mache ich ihr keinen Vorwurf. Ich wollte mich nur bei ihr entschuldigen. Für alles, was ich ihr angetan habe.«
»Das könntest du ihr in einem Brief sagen und ihr den Schmerz ersparen, dich persönlich sehen zu müssen«, entgegnete Elizabeth.
»Ich habe es für sie getan. Ich dachte, sie würde sich vielleicht … vielleicht …« Bev brach ab. Sie holte einmal tief Luft. »Ich dachte, sie würde sich vielleicht an mir rächen wollen.«
»Wie – du wolltest, dass sie hierherkommt und dich schlägt?«
Bev zuckte die Schultern. »Oder mich anbrüllt oder anschreit. Was immer sie tun muss.«
»Sie ist kein rachsüchtiger Mensch. Sie ist ein wundervolles, gutherziges Mädchen.«
»Ich habe bei ihr so viel falsch gemacht.«
Die Ehe und die Mutterschaft hatten Elizabeth sanfter gemacht, aber in diesem Augenblick war sie fast wieder der wilde Teenager, der sie einmal gewesen war. »Falsch gemacht? Das ist aber leicht untertrieben, oder? Wie konntest du ihr das alles antun? Wie konntest du all diese Dinge geschehen lassen? Mit deinem eigenen Kind?«
»Weißt du denn überhaupt, was mir als Kind angetan wurde? Nein, das weißt du nicht!«, gab Bev zurück. Ein unterdrückter Schluchzer war aus ihrer Stimme herauszuhören. »Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.«
»Doch, das habe ich«, sagte Elizabeth, jetzt ebenso laut. »Ich weiß, was du durchgemacht hast, denn nachdem du weg warst, hat Dad bei mir damit angefangen!«
Bevs Mund öffnete sich zu einem langen O. »Das tut mir leid«, sagte sie schließlich. »Das habe ich nicht gewusst.«
Elizabeth lachte freudlos auf. »Na ja, woher hättest du das auch wissen sollen? Du hast mich schließlich damit alleingelassen. Bist du nie auf die Idee gekommen, dass er versuchen könnte, mir dasselbe anzutun wie dir? Du hättest jemandem sagen können, was er getan hat, als du gegangen bist, nur zur Sicherheit, aber nicht einmal das hast du getan.«
Elizabeth dachte zurück an die blasse, große, launische Schwester, die sie immer aufgezogen hatte, ohne zu wissen, dass ihr Vater Bev missbrauchte. Jahrelang hatte sie sich vorgeworfen, es nicht erkannt zu haben, weil sie zu jung gewesen war, um ihr zu helfen, bis John Silkstone in ihr Leben getreten war, der sie liebte und sie gezwungen hatte, zu erkennen, dass sie es doch wert war, geliebt zu werden.
»Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen, und es gibt zu vieles, was ich nicht wiedergutmachen kann, aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass ich es könnte. Ich habe viel getrunken und viele Drogen genommen«, sagte Bev, ohne ihrer Schwester in die Augen zu sehen, »aber ich versuche nicht, mich damit zu entschuldigen.«
»Das ist auch keine Entschuldigung«, warf Elizabeth ein.
»Nein, das ist es nicht. Es war alles meine Schuld. Aber jetzt bin ich clean. Ich habe mich in den Griff bekommen, als ich aus dem Gefängnis kam. Aber ich habe schon ein paar Jahre dafür gebraucht. Nächste Woche ziehe ich hier aus. Ich habe eine kleine Sozialwohnung bekommen.«
»Das ist gut«, sagte Elizabeth leise. Sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte.
»Ich hätte niemals Mutter werden sollen, ich weiß. Ich hätte sie zur Adoption freigeben sollen. Ich kann nie wiedergutmachen, was … was ihr vor meinen Augen angetan wurde. Und der anderen Kleinen. Die Drogen haben sie getötet. Ich konnte nicht aufhören damit. Ich musste damit klarkommen, dass ich mein eigenes Kind getötet hatte, hat Lorraine dir das erzählt?«
»Ja, ich weiß«, sagte Elizabeth.
Bev ließ sich aufs Sofa fallen und spielte nervös mit ihrer Halskette. »Ich hatte solche Angst davor, Lorraine wiederzusehen. Ich … ich hatte das Gefühl, das müsste ich. Aber ich wusste nicht, wie ich es sagen sollte.«
»Ich werde ihr sagen, dass es dir leidtut«, sagte Elizabeth. Sie wollte diese
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