Ein Kerl macht noch keinen Sommer
femininer aussah. Er hätte diese Frauen, mit denen sie zusammenarbeitete, dafür umarmen können, dass sie sie ein bisschen aufgepäppelt hatten. Und Elizabeth und John mit diesen ganzen Grillpartys.
»Zum Glück habe ich ja dich«, lachte Raychel. Während sie auf die Hochzeit ging, würde Ben John helfen, im Garten ein Spielzeughaus für den kleinen Ellis aufzubauen. Sie nahm an, dass John das auch leicht allein schaffen würde, aber offenbar hatte er den jüngeren Mann gern um sich. Es war wundervoll, zu einer solch liebevollen Familie zu gehören. Und Freundinnen zu haben wie die Frauen, mit denen sie zusammenarbeitete. Und kürzlich hatte sie eine Riesenüberraschung erlebt, als Elizabeth ihr einen Scheck über zweiundvierzigtausend Pfund überreicht hatte, offenbar ihr Anteil an irgendwelchen alten fällig gewordenen Familien-Wertpapieren, die kürzlich aufgetaucht waren. Sie hatte protestiert, aber Elizabeth hatte darauf beharrt, das Geld stünde ihr von Rechts wegen zu, und sie gezwungen, es anzunehmen. Auf einmal gab es in ihrem Leben reichlich Sonnenschein und nur noch diese eine Wolke zu klären – die Identität ihres wahren Vaters. Aber heute wurde dieser Gedanke in den Hintergrund gedrängt. Heute war Dawns Tag.
» Vino înapoi, în pat! Komm wieder ins Bett, meine Anna!«
»Wirst du mich wohl aufstehen lassen!«, sagte Anna, als Vladimir sie wieder nach hinten in ein Bett zog, das mit Rosenblütenblättern übersät war, und sich über sie rollte, um sie festzuhalten. Sie hatte Tonys zügellosen Geschlechtstrieb einmal mit Liebe und Romantik verwechselt. Aber das war nichts, verglichen mit diesem Mann, der ihre Lippen liebkoste und Dinge mit ihrem Körper anstellte, bei denen die katholische Kirche sie exkommuniziert hätte, wenn sie sie im Beichtstuhl zugegeben hätte. Er war leidenschaftlich und doch sanft, und er war so gut, und wenn er das mehr als einmal pro Nacht tun würde, dann würde ihr noch das Gehirn aus den Ohren fliegen.
»Warum verlässt du mich? Es ist Wochenende«, sagte er.
»Weil ich a) den Kater füttern muss und b) mich für eine Hochzeit fertig machen muss – und ich bin schon spät dran, weil du darauf bestanden hast, dass wir ein Schokoladenfrühstück im Bett einnehmen.«
»Wie kannst du einen Mann verlassen, der dich morgens mit Trüffeln verwöhnt?«
»Weil meine Freundin heiratet«, sagte Anna. »Und mein Kater muss fressen.«
»Ich muss auch fressen.« Vladimir begann, an ihrem Nacken zu knabbern. Anna stöhnte auf. Wenn es nicht ausgerechnet Dawns Hochzeit gewesen wäre, dann hätte sie jetzt allen Widerstand aufgegeben.
»Hör auf, ich muss los. O Gott, bitte hör auf, bevor ich sterbe!« Anna versuchte, sich zu befreien, aber das fiel ihr einfach so schwer.
»Na schön, diesmal gebe ich mich geschlagen«, sagte er und ließ sie schweren Herzens los. »Aber heute Abend werde ich für dich kochen. Ein traditionelles rumänisches Gericht.«
»Was denn? Blutig gebratene Opfer?«
»Mein Schatz, mach dich niemals über Vampiri lustig«, sagte er und fletschte die Zähne. »Sie werden dich für weniger umbringen.«
»Und was ist ihre bevorzugte Methode?«, fragte Anna verschmitzt.
»Tod durch tausend Bisse«, sagte Vladimir und glitt mit einem Finger über ihre Brüste.
»Oooh – da werde ich dich beim Wort nehmen«, strahlte Anna.
Vierundachtzigstes Kapitel
O mein Gott, hier geht’s ja zu wie in einem Wartesaal für die Jeremy Kyle Show «, sagte Anna, als sie in der Kirche saßen, allein auf der Seite der Braut – bis auf eine alte Dame ganz hinten, die immer wieder vor sich hin hüstelte. Sie nahmen an, dass sie eine der entfernten Tanten war, von denen Dawn gesagt hatte, sie würden vielleicht kommen.
Aber das war sie nicht. Sie war Mavis Marple, ein regelmäßiger Gast bei kirchlichen »Veranstaltungen«, und mit ihrem grauen, unscheinbaren Erscheinungsbild fiel sie in der Menge der Trauer- oder Feiergäste zumeist gar nicht auf. Mavis mochte es, sich für eine Weile unter den Trubel einer solchen Feier zu mischen, fremde Leute um eine Mitfahrgelegenheit zum Hochzeitsempfang anzuschnorren, und sich dann mit geübter Souveränität über das Büfett herzumachen. Sie brachte sogar ihre eigene riesige Serviette mit, um anschließend einen Teil der Beute nachhause zu schleppen.
Die vier Frauen sahen staunend zu, wie sich die Bänke auf der Seite des Bräutigams mit üppigen Frauen in grell bunten Kleidern und hageren Teenagern füllten, von denen ein
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