Ein Kerl macht noch keinen Sommer
paar elegante Hosen trugen, die meisten jedoch Jeans und Turnschuhe, und manche sogar Kapuzenshirts.
»Psst, Anna«, sagte Christie. »Solche Räume hallen immer so.«
»Stellt euch mal vor, Anna hätte Malcolm hier das Knie in die Eier gerammt«, sagte Raychel. »Das Echo hätte man bis nach Aberdeen gehört.«
»Dieser Tritt war aber auch längst überfällig«, erwiderte Anna.
Sie kicherten alle.
»Hast du an das Geld gedacht, Christie?«, fragte Raychel. Sie hatten für Dawn gesammelt, anstatt ihr ein Geschenk zu kaufen.
»Es ist hier in meiner Handtasche.« Christie klopfte auf ihre leuchtend gelbe Tasche. Sie war von Kopf bis Fuß zitronengelb gekleidet und sah aus wie ein Sonnenschein auf zwei Beinen. Und genauso sahen sie auch die anderen: eine warme, wundervolle Kraft. Ihr Mittelpunkt.
Grace ließ die Blicke durch die Kirche schweifen. Es war ein wundervoller Bau. Binnen eines Jahres würde sie wieder hier sitzen und zusehen, wie Charles und Laura zum Altar schritten. Sie waren am Donnerstag mit Paul vorbeigekommen, um ihr die wundervolle Neuigkeit zu überbringen. Christie hatte eine Flasche Champagner geköpft, und die Frauen hatten in dem Patio gesessen und zugesehen, wie Charles, Paul und Niki mit Joe Fußball spielten. Genau wie Christie verströmte auch Nikis Seele eine solche Wärme. Es war einer der wundervollsten Abende gewesen, an die sie sich erinnern konnte, der nicht einmal von der traurigen Neuigkeit gedämpft wurde, dass Sarah beschlossen hatte, sich von ihnen allen loszusagen und sich auf die Seite ihres Vaters zu schlagen. Offenbar brauchte sie sie nicht mehr für Babysitterdienste, da Hugo in ein Au-pair-Mädchen aus dem Ostblock investiert hatte. Sehr jung, billig zu haben und zweifellos hübsch. Paul sagte, er könne schon jetzt riechen, wie sich der Ärger zusammenbraute. Grace hoffte, dass Sarah es sich noch einmal anders überlegen würde, und hatte ihr einen Brief geschrieben. Vielleicht würde das neue Baby, wenn es kam, ihnen ja helfen, die Kluft zu überwinden. Und Gordon würde offenbar in der nächsten Woche aus der Klinik entlassen werden, wie Paul ihr schonend beigebracht hatte. Grace hatte festgestellt, dass sie deswegen nicht so nervös war, wie sie zunächst befürchtet hatte. Sie fühlte sich jetzt wirklich geborgen, vor allem in Gegenwart des soliden, freundlichen Nikita Koslov und seiner wundervollen Schwester.
»Denkst du dasselbe wie ich?« Christie knuffte sie in die Seite, als ein sehr lautes »Scheiße, halt doch die Klappe, Mann!« von einer Zeremonienmeisterin am Eingang der Kirche ertönte.
»Vermutlich«, seufzte Grace.
»Großer Gott!«, stöhnte Anna, als eine Frau, bei der es sich nur um die Mutter des Bräutigams handeln konnte, durch die Kirche nach vorn schritt, in einer weit geschnittenen rosa Hose und rosa Jacke, die farblich nicht zusammenpassten, und einem schwarzen Hut, der besser zu einer Beerdigung gepasst hätte. Sie hatte offenbar versucht, mit schwarzen Schuhen und einer schwarzen Handtasche eine Art Ensemble zu bilden, aber irgendwie passte alles nicht so recht zusammen. Dazu trug sie einen rosa Lippenstift, mit dem ihre Lippen aussahen, als hätte sie Verbrennungen dritten Grades erlitten. Mit all dem, und dann noch der aufgesprühten Sonnenbräune, sah sie aus, als hätte sie zu nah an einem Grill gestanden. Sie ähnelte einer Statistin aus Shameless , die eben gefeuert worden war, weil sie einfach zu krass aussah.
Der Bräutigam war an seiner fehlenden Augenbraue leicht zu erkennen. Er trug einen eleganten Frack mit einer pfirsichfarbenen Krawatte. Er sah gut aus, gewollt lässig, aber überhaupt nicht so, wie sich die vier Frauen einen Partner für Dawn vorgestellt hätten.
»Das kann er doch nicht sein, oder? Calum?« Anna zog die Augenbrauen bis zum Himmel hoch.
»Ich denke, das muss er sein«, flüsterte Grace.
»Ich würde Dawn am liebsten an der Kirchentür entführen und mit ihr durchbrennen«, sagte Anna. Die süße, naive, hübsche, feinsinnige Dawn gehörte doch wohl nicht zu diesem Haufen. Oder?
»Vielleicht täuschen wir uns ja alle, und sie wird im siebten Himmel mit ihm sein«, sagte Grace.
»Ja, und die Erde ist eine Scheibe«, sagte Anna.
In der Kirche kehrte allmählich Ruhe ein. Fünf Minuten nach der offiziellen Anfangszeit ertönte auf einmal ein blechernes »Hier kommt die Braut«, sodass sich jedermanns Nerven anspannten, aber es war nur das Handy des Trauzeugen des Bräutigams, das in diesem Augenblick
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