Ein Kerl macht noch keinen Sommer
Laura Ashley, Coco Chanel und dergleichen über den Weg lief.
»Sie kennen mich vielleicht als Kleiderdesigner. Nur Kleider. Aber damit ist jetzt Schluss!« Er tat seine gesamte Kleiderkollektion mit einer schwungvollen Bewegung seiner wunderschönen Hand ab. »Ich habe mir einen neuen Bereich erschlossen – Damenwäsche. Ich will nicht mehr für Promi-Diven entwerfen. Ich will für Frauen entwerfen, die sich so fühlen wollen, als seien sie hier drinnen« – und dabei schlug er sich ungefähr dort, wo sein Herz war, auf die Brust – »eine Promi-Diva. Eine Frage, sehen Sie sich manchmal Gok Wan im Fernsehen an?«
»Ja«, sagte Anna zögernd. O Gott, gleich würde er sie fragen, ob sie für ihn nackt über den Bahnsteig laufen würde!
»Und sehen Sie sich Janes Damen an?«
»Ich liebe Janes Damen «, stöhnte Anna. Das war eine neue Sendung, die als Konkurrenz zu Goks Shows lief, im Grunde nach demselben Schema, präsentiert von einem jungen, umwerfenden, nüchternen Stil-Guru im Kommen namens Jane Cleve-Jones.
» Janes Damen plant eine neue Serie. Sie haben sich an verschiedene Designer gewandt, dabei natürlich auch an mich. Jeder von uns hat ein Model, das wir in eine Schönheit verwandeln wollen. Mein Spezialgebiet wird die Damenwäsche sein. Ich brauche eine Frau, die sich schön fühlen will, erdverbunden – Darq , wie ich es nenne. Ich glaube, jede Frau hat eine Darq-Seite, aber leider ahnen die meisten Frauen das nicht einmal. Und dann habe ich Sie gesehen und wusste ohne jeden Zweifel, dass Sie die Eine sind. Ich will, dass Sie mein Model werden. Ich will, dass Sie andere Frauen dazu inspirieren, meine Kleider zu tragen. Ich will für Frauen wie Sie entwerfen.«
»Alte Schachteln jenseits des Verfallsdatums, meinen Sie wohl.« Anna lachte freudlos auf.
» Nu , ganz und gar nicht.« Vladimir Darq beugte sich über den Tisch und glitt mit einem Finger über Annas Kieferpartie, sodass sie schauderte. »Frauen Ende dreißig, Anfang vierzig, die glauben, dass sie nicht mehr sexy sind, oder sich vielleicht nie sexy gefühlt haben. Ich sehe an der Art, wie Ihre Schultern herunterhängen, dass Sie sich nicht begehrt fühlen. Sie haben nie gelernt, dass sexuelle Ausstrahlung von innen kommt. Ich würde vermuten, andere Leute haben Ihnen kein sehr gutes Selbstwertgefühl vermittelt. Ich habe natürlich recht. Sie glauben, das Leben hat Sie vergessen.« Er nahm eine Strähne ihres stumpfen braunen Haars und ließ es durch seine Finger gleiten.
Anna spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten, und schluckte sie hinunter. Diese kleine Bewegung an ihrem Hals war alles, was Vladimir Darq brauchte, um zu wissen, dass er sich nicht getäuscht hatte. Nicht dass er es je bezweifelt hätte. Dafür hatte er zu viel Vertrauen in seine Intuition.
Anna blies die Wangen auf. War es so offensichtlich, dass sie eine ungeliebte, zurückgewiesene Frau war, mit ungefähr so viel Leuchtkraft wie ein verbrauchtes Streichholz in einem Kanal, selbst für einen völlig Fremden zwei Bahngleise entfernt? Gott, sie musste wirklich erbärmlich aussehen.
»Keine Sorge, ich kann Sie in eine Schönheit verwandeln«, flüsterte Vladimir Darq. Seine Stimme war wie eine samtige Liebkosung. »Ich kann Ihnen das Gefühl geben, schön zu sein. Ich kann Ihr Leben in weniger als acht Wochen verändern. Und Sie werden andere Frauen wie Sie dazu inspirieren, schön zu sein. Sie werden die Erste meiner schönen Darq-Frauen sein.«
»Schön?« Anna schnaubte verächtlich. Mit diesem Wort hatte sie noch nie jemand bezeichnet. Niemand hatte je gesagt: »Anna Brightside, Sie sind schön!« Oder auch nur niedlich oder hübsch. Sie wusste schon gar nicht mehr, wie oft sie als Jugendliche mit irgendwelchen gut aussehenden Typen ins Gespräch gekommen war, nur um wenig später festzustellen, dass sie tatsächlich hinter ihrer weitaus hübscheren Freundin Caroline her waren, mit ihren umwerfenden Grübchen und Augen wie Sirupklecksen. In ihren Zwanzigern hatte sie noch weniger männliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen, falls das überhaupt möglich war, trotz ihrer makellosen Haut und ihres herbstfarbenen Haars. Dann, in ihren Dreißigern, traf sie Tony mit seinen aalglatten Schmeicheleien und seinem zügellosen sexuellen Appetit. Das Objekt seiner Lust zu sein hatte ihr das Gefühl gegeben, eine begehrenswerte Frau zu sein. Natürlich nur, bis er ihr für Miss Tolle Titten den Laufpass gegeben hatte. Und jetzt saß hier ein Typ, der als Vampir
Weitere Kostenlose Bücher