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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milly Johnson
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abzuholen. Um genau zu sein, hatte er fest darauf bestanden. Er wolle ihren Wagen zur Werkstatt bringen, hatte er gesagt, da er ein Scheppern gehört habe. Grace hatte kein Scheppern gehört, aber es gab keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Sie hatten nicht viel miteinander geredet seit dem Zwischenfall mit Joe am Sonntag. Grace hatte das Thema nicht einmal angeschnitten, nachdem Laura nachhause gefahren war. Wozu auch? Wenn Gordon über etwas nicht reden wollte, dann redete er nicht darüber.
    Er wartete bereits auf dem Parkplatz auf sie, als sie aus dem Gebäude kam. Der Wagen war gewaschen und poliert und innen gereinigt worden, fiel ihr auf, als sie einstieg. Sie murmelten beide ein Hallo, während sie sich anschnallte.
    »Hast du das Scheppern reparieren lassen?«, fragte sie.
    »Was denn für ein Scheppern?«, fragte er geistesabwesend, und dann: »Ach nein, da war gar nichts. Muss ich mir eingebildet haben.«
    Da wusste Grace, dass er ihren Wagen gar nicht zur Werkstatt gebracht hatte. Er hatte gar kein Scheppern gehört. Er führte irgendetwas im Schilde, und ihr Instinkt erwies sich als richtig, als er wenig später nach rechts abbog anstatt nach links, wo es nachhause ging.
    »Wohin fahren wir?«
    »Nur ein kleiner Umweg«, sagte er.
    Grace war diese Woche erschöpft. Erschöpft davon, noch mehr Konflikte in ihrer Familie zu erleben, erschöpft davon, ihre Zunge im Zaum halten zu müssen, um ja nichts zu sagen, was Gordon auf die Palme bringen könnte. Sie wollte dieses Wochenende, an dem sie ausnahmsweise einmal nicht auf Sable aufpassen musste, nutzen, um ein langes Bad zu nehmen, ein schönes Glas Wein oder zwei zu trinken und in aller Ruhe ein paar Stunden zu lesen. Sie spürte, dass ihre Batterien dringend aufgeladen werden mussten. »Gordon, wohin fahren wir?«, fragte sie noch einmal erschöpft.
    »Lass das nur meine Sorge sein«, sagte Gordon mit diesem unglaublich aufreibenden Lächeln.
    »Gordon?«
    Gordon gab keine Antwort und schaltete den rechten Blinker ein, als sie sich dem Kreisverkehr näherten, was Grace verriet, dass sie die Autobahn in Richtung Süden nehmen würden.
    Mit hämmerndem Herzen stand Anna auf dem Bahnsteig. Der komische Kauz in Schwarz war zum Glück nicht da. Vielleicht hätte sie sich einfach von ihm überfallen lassen sollen, falls er das vorgehabt hatte, um es hinter sich zu bringen. Sie stellte sich eine rührende Krankenhausszene vor, in der Tony an ihr Bett stürzte und ihr sanft über den Schädel strich, wo der Fremde mit einer Axt auf ihn eingeschlagen hatte. Er würde ihr ewige Liebe schwören und zu ihr zurückkehren, um sich um sie zu kümmern, und ihr Gesicht mit kalten Flanelllappen abtupfen und mit Küssen bedecken.
    Die Schranken senkten sich, der Zug fuhr ein, und Annas Hand um den neuen Vergewaltigungsalarm in ihrer Manteltasche lockerte sich. Ein kalter Atem blies ihr in den Nacken. Als sie sich umwandte, stand der Mann in Schwarz hinter ihr und starrte sie unverwandt an. Sie sah Fangzähne, eindeutig. Sie würde im Chronicle stehen, als die erste Frau in Barnsley, die zu einer Untoten geworden war, dachte sie, und dann wurde alles verschwommen und schließlich schwarz. Seine behandschuhten Hände streckten sich nach ihr aus und fingen sie auf, als sie das Bewusstsein verlor.

Achtzehntes Kapitel
    S ekunden später, auch wenn es ihr weitaus länger erschien, kam Anna wieder zu sich. Eine Menschenmenge umringte sie, der Fremde hielt sie auf dem Boden in seinen Armen, und irgendeine dämliche Kuh rannte hin und her und rief: »Hilfe, kann jemand bitte einen Krankenwagen rufen! Hier hat eine Frau einen Herzinfarkt!«
    Sie konnte sich erinnern, wie ihr hochgeholfen wurde, und dann, während sie allmählich wieder zu Bewusstsein kam, gewann die Verlegenheit die Oberhand. Sie versuchte, geistig klar auszusehen, ungefähr so, wie ein Betrunkener versucht, sich einen Anschein von Nüchternheit zu geben, mit ungefähr demselben Erfolg. Immer wieder sagte sie: »Es geht mir gut, es geht mir gut.« Aber sie hörte diese dämliche Frau kreischen: »Sie hätten sie liegen lassen sollen. Sie muss ins Krankenhaus. Ich habe einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Ich kenne mich aus mit so was.«
    Aber dann lief Annas Gehirn offenbar ein bisschen im Schnellvorlauf, und im nächsten Augenblick wurde sie von einer netten Dame mit einer Schürze ins Bahnhofscafé geführt, auf eine Tasse Tee mit viel Zucker. Dann wieder ein paar Sekunden Schnellvorlauf, und dann befand sich Anna auf

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