Ein Kerl macht noch keinen Sommer
provozieren will. Du hättest ihm sagen sollen, dann soll er sich eben verpissen und zu ihr gehen, das hätte ich jedenfalls gesagt.«
Aber Dawn nicht. Mandy Clamp war ein großer, hässlicher Dorn in Dawns Auge. Sie und Calum hatten über Jahre hinweg eine Beziehung gehabt, die immer wieder aufflackerte. Und dann, als Mandy ihm das letzte Mal den Laufpass gab, hatte er etwas mit Dawn angefangen, in jenem verhängnisvollen Gelegenheitsfenster. Dann hatte Mandy entschieden, dass sie ihn wiederhaben wollte, und ihm mehrmals unverfroren aufgelauert. Dawn freute sich natürlich jedes Mal, wenn Muriel sagte, keiner von ihnen könne Mandy besonders gut leiden. Die Crookes waren alle herrlich zickig zu ihrem Dorn im Auge.
Aber Dorn im Auge oder nicht, Calum war vielleicht wirklich zu Mandy gegangen, nur um Dawn eine harte Lektion zu erteilen. Und Mandy Clamp würde Dawn sicher nur zu gern eins auswischen und Calum die Tür öffnen. Und ihre Beine.
»Er hätte mich nicht schlagen sollen«, wimmerte Dawn.
»Werd endlich erwachsen, Dawn«, sagte Muriel auf einmal mit einem scharfen Unterton. »Er hat uns gesagt, dass du ständig an ihm herumnörgelst. Früher oder später muss ein Mann ja in die Luft gehen, wenn eine Frau so an ihm herumnörgelt wie du, das haben wir alle gesagt.«
Dawn holte entsetzt einmal tief Luft. Sie war nie auf den Gedanken gekommen, dass Calum zu seiner Familie gelaufen sein könnte, um sich über sie zu beklagen, und dass seine Familie hinter ihrem Rücken über sie getratscht hatte. Was hatten sie sonst noch über sie gesagt? Es war offensichtlich, dass sie seiner Version der Ereignisse Glauben schenkten, aber trotzdem, sie dachten doch sicher nicht, dass er völlig frei von Schuld war? Sie wollte Muriel sagen, dass sie nicht nörgelte und dass es kein Nörgeln war, wenn sie ihn bat, auch etwas Geld zu ihrer Hochzeitskasse beizusteuern, anstatt alles in der Bar über den Tresen zu reichen, oder? Und war es denn Nörgeln, wenn sie ihn dafür zur Rede stellte, dass er ihre Ersparnisse plünderte? Aber zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass Muriel nicht auf ihre Gegendarstellungen hören würde. Das Wort eines Crooke zu einem anderen Crooke war offenbar das Evangelium. Selbst wenn einer so weit gegangen war, seine Freundin ins Gesicht zu schlagen.
Dawns Eltern waren so unkompliziert gewesen, so freundlich zueinander, fürsorglich, respektvoll. Im Gegensatz zu Kindern, deren Wiegenlied meist ein Streit ihrer Eltern war, hatte Dawn nie gehört, wie die beiden zueinander laut wurden. Sie war sich sicher, dass auch ihre Eltern nicht immer einer Meinung gewesen waren, aber sie hatte selbst nie einen Streit miterlebt. Sie hatte eine sanfte, freundliche Erziehung in einer Familie genossen, in der man sich liebte und zusammen lachte, und über den Schmerz, plötzlich allein zu sein, war sie erst Jahre später hinweggekommen, falls überhaupt. Dann waren die Crookes in ihr Leben gestürmt, und sie hatte sie aufgesogen wie ein trockener Schwamm eine Lache von klarem Wasser. Aber die Welt der Crookes war so völlig anders als die, die sie gewohnt war. Schreien, um ihren Standpunkt klarzumachen, war noch nie ihre Art gewesen, und mitten in einem Streit hatte sie manchmal das Gefühl, gar nicht mehr sie selbst zu sein. Sie fragte sich, ob sie sich je genug würde anpassen können. Oft hasste sie sich dafür, dass sie sich schon so sehr angepasst hatte.
Aber im Gegensatz zu Muriel akzeptierte sie, dass jede Geschichte ihre zwei Seiten hatte. Vielleicht kam sie ja tatsächlich als Nörglerin herüber, ohne es zu wollen. Vielleicht musste sie bei Calum wirklich ein Auge zudrücken. Wenn sie noch mehr nörgelte, würde sie ihn sicher erst recht vertreiben, womöglich noch in die Arme seiner lauernden Ex, dieser Schlampe. Sie wollte sich mit Muriel deswegen nicht überwerfen, daher pflichtete sie ihr bei, um die Harmonie zwischen ihnen nicht zu gefährden, und sagte nur: »Vermutlich hast du recht, Mu, ich nörgele wirklich ein bisschen.«
»Fahr wieder nachhause«, sagte Muriel. »Fahr nachhause und versöhn dich mit ihm. Ihr werdet doch in ein paar Wochen heiraten. Er ist ein guter Junge, unser Calum. Er braucht nur ein bisschen Liebe und Unterstützung, nicht jemanden, der ihm ständig im Nacken sitzt und sich darüber beschwert, wenn er abends mal ausgeht. Wenn du ein Käfigtier willst, Liebes, dann kauf dir einen Hamster.«
Calum sei Muriels kleiner Goldjunge. Er könne nichts Unrechtes tun. Und das
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