Ein Kerl macht noch keinen Sommer
ganz so viel Platz brauchen wir gar nicht«, sagte Gordon. »Können Sie uns vielleicht noch etwas anderes zeigen?«
»Sehr gern«, sagte das knappe Kostüm. Sie hatte inzwischen schon erkannt, dass dieses Paar vermutlich kein Vermögen hinblättern würde, und zeigte ihnen den »Cannes«. In den letzten fünf Jahren hatte er nur eine Besitzerin gehabt. Und eine farbenblinde noch dazu, dachte Grace, nach dieser grauenhaften orangefarbenen Polstergarnitur zu urteilen. Es war, als würde man in einer riesigen verrottenden Mango stecken.
»Zwölftausenddreihundert Pfund für den, der schnell zugreift«, sagte das knappe Kostüm. »Sechs Schlafplätze, davon ein Doppelbett. Aber dafür mit einem separaten Essbereich.«
Die Dusche war großzügig angelegt, und Gordon hoffte ganz offensichtlich, dass Grace von der kleinen Küche – ihrem künftigen Bereich – beeindruckt sein würde. Sie konnte sehen, wie sein Gehirn hinter seinen funkelnden Augen arbeitete, während er sich sie beide im tropischen Sonnenschein englischer Sommer dort vorstellte. Grace würde glücklich Apfelkuchen backen und die Kinder unterhalten, sich um das neue Baby kümmern, die Waschmaschine beladen und den Boden mit einem Besen zwischen den Beinen fegen, während er noch mehr Saatgutkataloge lesen und den Nachbarn freundlich zuwinken würde.
»Ich denke, den nehmen wir«, sagte Gordon. »Da können wir’s uns schön gemütlich machen.«
»Gordon!«, sagte Grace aufgebracht. »Entschuldige, kann ich dich auf ein Wort sprechen?«
Sie zupfte Gordon am Ärmel und führte ihn in eine Ecke, und das knappe Kostüm zog sich in den Hintergrund zurück, damit sich die beiden in aller Ruhe besprechen konnten.
»Das ist eine Menge Geld, Gordon«, sagte Grace.
»Du bekommst doch sicher bald eine Abfindung«, entgegnete Gordon.
»Aber darauf können wir uns nicht verlassen.«
»Na ja, wenn nicht, dann können wir es uns immer noch von unseren Ersparnissen leisten. Das letzte Hemd hat keine Taschen, Grace. Es ist ein guter Preis, und wir werden ihn nehmen.«
Seltsam, dass das Geld bei ihm auf einmal so locker sitzt, dachte Grace. Sie wollte ihn anschreien, dass sie nie im Leben ganze Sommer in Blegthorpe verbringen würde. Dass sie sich nie im Leben von all den Töpfen und Pfannen, die in Barnsley geschrubbt werden mussten, an die Küste zerren lassen würde, um dort genau dieselbe Arbeit zu verrichten. Aber sie wusste, dass es ein aussichtsloser Kampf war. Gordon verlor grundsätzlich keine Auseinandersetzung; er zermürbte seinen Gegner mit seiner Hartnäckigkeit, und nachdem Grace die letzten beiden Nächte kaum ein Auge zugetan hatte, war sie zu erschöpft für einen Kampf. Sie fühlte sich gefangen und mehr denn je Gordons Willen ausgeliefert, seit Paul und sein Vater sich entzweit hatten.
Als Gordon Paul aus dem Haus warf, da hatte sie ihr Leben auf einmal mit ganz neuen Augen gesehen, als würde es zum ersten Mal von einem hellen Scheinwerfer angestrahlt. Sie hatte erkannt, dass in ihrer Ehe keine Gleichberechtigung herrschte. Gordon mähte den Rasen, reparierte Dinge und kümmerte sich ums Geld; sie kochte und putzte und passte auf die Kinder auf, aber während er uneingeschränkten Respekt vor seiner männlichen Rolle erwartete, galt ihre wie selbstverständlich als das, »was Frauen eben taten«. Ihre Meinung zählte nichts. Sie zählte nichts. Gordon war ein Diktator, kein Demokrat.
Grace sah hilflos zu, wie er sein Scheckbuch aufschlug und die Anzahlung von zehn Prozent leistete. Er lächelte, während sein Stift über das Papier glitt. »Fröhlich« war kein Wort, das Grace je zur Beschreibung ihres Ehemanns anwenden würde. Es war seltsam, ihn so beschwingt zu sehen, als würde irgendjemand anders in seinem Körper wohnen, dem er aber nicht ganz passte.
Den Abend verbrachten sie im Robin Hood Club, wo sie einem mittelmäßigen Gesangsduo, dem »Paradise«, zuhörten, begleitet von dem hauseigenen Organisten, Trevor Starr, dessen Anzug so sehr glitzerte, als stamme er aus einem von Liberaces Kofferraumverkäufen. Dann betrat Blegthorpes eigene Celine Dion, »Lynn Laverne«, die Bühne und trällerte ein paar schwungvolle Balladen. Dann folgte eine Pause zum Bingo spielen. Danach kam Lynn Laverne wieder, in einem anderen Kostüm, und Gordon bestellte Scampi mit Pommes frites und einem Beilagensalat für zwei, während LL noch ein paar Gläser zertrümmerte. Gordon gabelte an der Bar ein paar hartgesottene Campingurlauber auf, die sich
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