Ein Kerl macht noch keinen Sommer
sie jedes Mal einen verlockenden Blick erhaschte, wenn sich seine Lippen öffneten. Nur kleine, nicht wie die, die es in Scherzartikelläden zu kaufen gab, aber seine Eckzähne waren eindeutig verlängert. Und obwohl sie Pferdeschwänze nicht auf ihre Liste begehrenswerter, unverzichtbarer Attribute bei einem Mann gesetzt hätte, da sie im Allgemeinen wie Rattenschwänze aussahen, die den Blick nur von einer sich rasch lichtenden Stirn ablenken sollten, sah er mit seinem dichten, gewellten schwarzen Haar, das er nach hinten gebunden hatte, doch wie ein echter Märchenprinz aus. Zweifellos alles ein Teil der theatralischen Scharade, um sich vor der Presse als romantischer Vampir in Szene zu setzen.
Sie fuhr in dem schwarzen Mercedes bei ihm vor, der sie zuhause abgeholt hatte, als die alte Standuhr in ihrem Wohnzimmer eben sieben schlug. Der rumänische Fahrer war mürrisch und wortkarg gewesen, aber dafür hatte er, wie sich später herausstellte, die Entschuldigung, dass er kaum Englisch sprach. Ein schwarzes elektronisches Tor gewährte ihnen Zugang zu einer langen Auffahrt am Rande des malerischen Dorfs Higher Hoppleton. Dann standen sie vor der größten Tür, die Anna je gesehen hatte und die sich sogar mit einem Knarren im Addams-Family-Stil öffnete. Sie rechnete halb damit, dahinter auf Lurch zu stoßen, aber stattdessen stand da nur ein weitaus kleinerer Mann mit Glatze und Eyeliner, den sie auf Anhieb als Leonid Szabo erkannte: Vladimir Darqs »Freund«. Die Tür führte in einen riesigen Raum mit einer Galerie. Das Darq House war neu gebaut worden, aber so, dass es wie ein Relikt aus dem Mittelalter aussah. Mit seiner Mischung aus raffinierter Architektur und mit Trompe-l’œils bemalten Wänden sah es auf unheimliche Weise wie eine Burg aus dem fünfzehnten Jahrhundert aus.
»Sie müssen Anna sein, treten Sie ein«, sagte Leonid mit einem starken Akzent. Er half Anna aus ihrem Mantel, während er sie musterte, wie sie selbst das Rindfleisch an Baxter’s Metzgerstand auf dem Markt von Barnsley musterte. Dann trat der Mann selbst in Erscheinung, gab ihr höflich die Hand und kam sofort zur Sache.
»Bitte, Anna, wir müssen Sie ansehen. Stellen Sie sich aufrecht hin und halten Sie still.«
Beide Männer umkreisten sie und betrachteten ihren unscheinbaren Körper aus allen Winkeln. Anna fühlte sich erstaunlich unbeteiligt. Es lief alles sehr medizinisch ab, und unter dieser genauen Begutachtung hätte sie sich auch nicht hässlicher fühlen können, als sie es ohnehin schon tat. Das Einzige, was sie denken konnte, war, dass zwei homosexuelle Männer, die ihr hauptsächlich auf die Brüste starrten, seltsamerweise gesünder für sie waren als ein Abend allein zuhause, an dem sie sich Casualty ansah und in ein Päckchen Taschentücher schluchzte.
Die beiden Männer unterhielten sich schnell in ihrer Muttersprache. Anna konnte nur vermuten, was sie zueinander sagten. Es klang nicht unbedingt so, als würden sie sie mit Cindy Crawford vergleichen.
»Äh, bevor wir anfangen …« Leonid zückte eine kleine, kunstvoll bemalte Dose aus seiner Hosentasche, öffnete sie und hielt sie Anna hin. Sie war voller kleiner weißer Pillen.
»Ich nehme keine Drogen, danke«, sagte Anna steif.
»Das ist Pfefferminz«, sagte Leonid und fuchtelte ihr damit vor der Nase herum. »Gegen diesen ganzen Knoblauch.«
»Oh«, hüstelte Anna. »Entschuldigung.«
Okay, es war vielleicht ein bisschen albern, aber sie hatte wirklich etwas viel Knoblauch in dieses kleine Chili getan, das sie sich heute zum Abendessen gekocht hatte. Ehrlich gesagt hätte es ausgereicht, um ihren alten Mathematiklehrer damit zu betäuben, und der hatte eine sehr schlechte Nase gehabt. Sie konnte nicht sagen, ob es klug oder albern gewesen war, ein paar Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Albern, entschied sie jetzt.
Vladimir hatte sich rasch abgewandt, aber sie war sich sicher, ein kurzes Grinsen gesehen zu haben, das er sich sofort verbiss. Anna spürte, wie sie errötete. Für beide Männer musste offensichtlich sein, warum sie so viel Knoblauch gegessen hatte. Sie nahm ein paar Pfefferminzbonbons und bedankte sich brav.
Leonid steckte die Dose wieder ein.
»Sie ist perfekt«, kommentierte Vladimir, als sei Anna gar nicht anwesend. »Ihre Unterwäsche ist natürlich abscheulich, so viel steht fest, und schmeichelt ihr überhaupt nicht.«
»Können wir sie bitte sehen?«, fragte Leonid.
»Wie, ich soll mich ausziehen?«, fragte Anna.
»Nur bis
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