Ein Killer für Rockford
beweglich.«
»James, Sie leben in einer Gegend, die sich vor allem dadurch auszeichnet, daß dort 80.000-Dollar-Häuser stehen. Wie kann man da in einem Wohnwagen leben?«
»Das Grundstück gehört mir. Etwas mehr als ein Hektar.«
»Ich dachte, es gibt so etwas wie Bebauungspläne«, sagte sie erstaunt.
»Die gibt es, aber ich habe ein Loch im Gesetz gefunden. Sie dürfen in einem Wohnwagen leben so lange Ihr Haus im Bau ist. Meins ist im Bau.«
Er grinste breit und legte seine Stirn in Falten.
»Ich kann mich nicht erinnern, gesehen zu haben …«
»Es kommt morgen an.«
»Ihr Haus.«
»Ich baue es nach einem Baukastensystem. Morgen kommen die Balken an. Ich baue mir ein Chalet aus Zedernholz über dem Ozean.«
»Hmmm«, sagte sie, »vielleicht heirate ich Sie doch noch.«
Der Ober kam mit einem Tablett voller Speisen.
»Wir wollen essen«, sagte das Mädchen.
Vier Stunden später, gegen ein Uhr in einer schönen Julinacht, hing der Vollmond über dem Pazifik wie ein gigantischer Silberdollar. Ein paar sehr hohe Kumuluswolken trieben friedlich über den Himmel, aber sie hinderten den Mond nicht daran, das Land mit seinem silbrigen Glanz zu überschütten und die ruhige Brandung in ein funkensprühendes Meer zu verwandeln. Sara Butler, ihre Arme sicher und fest um Rockfords Ellenbogen verschränkt, blickte ehrfürchtig auf dieses Schauspiel.
»Jetzt verstehe ich, warum es dir hier so gut gefällt«, sagte sie.
»Manchmal sitze ich die halbe Nacht hier und sehe geradeaus in Richtung Hawaii«, sagte Rockford. »Die nordpazifische Strömung aus dem Fernen Osten kommt genau hier an, knallt uns genau ins Gesicht, dann biegt sie ab und fließt die Küste hinab nach Mexiko. Ich stelle mir gerne vor, daß sie mir Geschenke aus China mitbringt.«
»Was für Geschenke?« fragte sie und lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Oh, was weiß ich? Parfüms, Gewürze, exotische Öle … alles, was sich Marco Polo wünschte.«
»Das ist eine schöne Vorstellung.«
»Weißt du, was ich wahrscheinlich bekommen würde? Eine Flasche mit einer Nachricht darin. Reklame. Von einem Schneider aus Hongkong.«
»Das ist der Rockford, den ich kenne und liebe. Ich hätte es mir gleich denken können, als du anfingst, poetisch zu werden.«
»Ich verstehe etwas von Poesie.«
»Oh? Welcher Dichter?« fragte Sara überrascht.
»Kenneth Fearing«, lächelte er.
»Ich habe nie von ihm gehört.«
»Er schrieb ein paar klassische Zeilen. Zum Beispiel: ›Luise die Ratte / packte sich in Watte / und blieb auf der Matte.‹«
»Machst du Witze? Wo hast du ihn entdeckt?«
»Im Kasten. Kenneth Fearing war der einzige Dichter, den wir lesen durften. Das waren die kleinen Scherze des Wärters.«
»Was meinst du mit ›Kasten‹?«
»Ich glaube, wir sollten jetzt darüber reden und es aus dem Weg räumen.«
»Willst du damit sagen, daß du im Gefängnis warst?«
»Ich fürchte ja«, antwortete Rockford.
»Weshalb?« fragte sie und nahm ihren Kopf von seiner Schulter.
»Bewaffneter Raubüberfall. Ich habe fünf Jahre abgesessen.«
»In welchem Gefängnis? Nicht daß ich die Unterschiede kenne.«
»San Quentin.«
»Um Gottes willen, Rockford.«
»Ich dachte, du wolltest mich James nennen?«
»Ich glaube, ich rufe besser ein Taxi.«
»Halt jetzt den Mund und hör mir zu.«
»Und du hattest die Stirn, mir Vorwürfe wegen eines ungedeckten Schecks zu machen.«
»Würdest du bitte ruhig sein?«
»Was hast du ausgeraubt?«
»Einen Lastwagen. Oder besser, ich habe keinen Lastwagen ausgeraubt. Es wurde mir angehängt, aber ich habe es nicht getan. Ich war unschuldig.«
»So, so.«
»Ich arbeitete als Lastwagenfahrer. Es war Rockys Idee, er wollte immer, daß ich in seine Fußstapfen treten sollte. Ich bekam einen Job und fuhr einen großen Lastzug für eine große Speditionsfirma, die in allen Staaten Aufträge erledigte. Eines Tages erwischte es mich. Überfall. Zwei Typen stoppten mich, als ich japanische Kameras im Wert von einer halben Million geladen hatte. Sie kamen nicht weit. Die Cops tauchten auf, und es gab eine Schießerei, während ich mich unter dem Laster versteckte. Die zwei Typen schafften es nicht mehr bis zum Krankenhaus. Später, als die Cops ihre Wohnungen durchsuchten, fanden sie ein Stück Papier mit meinem Namen und meiner Telefonnummer.«
»Und?«
»Und sie beschuldigten mich, der Verbindungsmann innerhalb der Firma zu sein. Sie warfen mir vor, derjenige in der Gesellschaft zu sein, der den Räubern
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