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Ein Kind, das niemand vermisst

Ein Kind, das niemand vermisst

Titel: Ein Kind, das niemand vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kody DeVine
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als vier Mal hintereinander geklingelt wurde
    »Nimm deine Hand am besten gar nicht mehr vom scheiß Klingelknopf!«, schimpfte sie auf dem Weg zum Flur, der hell beleuchtet war.
    Sie blickte durch den Spion und fluchte erneut, dann schob sie die Kette beiseite, öffnete die Tür und ließ ihren Kollegen und Immer-mal-wieder-Liebhaber DI Timothy Wincott herein.
    Das schwarze Haar war kurz geschoren, was seine hellblauen Augen und sein markantes Kinn betonte. Sie musterte ihn. »Mir fehlen deine Locken.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Mir nicht.«
    »Was machst du hier?«
    Er rollte mit den Augen,  ging ins Wohnzimmer, zog seinen Trenchcoat aus und warf diesen über die Couchlehne. Dann drehte er sich zu ihr um, die Arme vor der Brust verschränkt und musterte sie sorgsam. Sein Blick blieb auf ihrem Gesicht haften. »Ich fahre nicht mitten in der Nacht her, um mir irgendeinen Mist anzuhören, also verrate mir bitte was los ist!«
    »Nichts. Mir geht’s gut. Ich bin vorhin in Panik geraten und da war ich so blöd gewesen dich anzurufen. Es tut mir leid.«  Sie zuckte mit den Schultern und blieb im Flur stehen. »Ich bin vermutlich einfach überarbeitet«, fügte sie hinzu, als er nichts erwiderte.
    »Erzähl doch keinen Scheiß. Seit wann gerätst du in Panik, weil du überarbeitet bist.« Er ließ sich auf die Couch fallen und deutete auf das Sofa, doch sie blieb wo sie war. Erst jetzt realisierte sie, dass sie lediglich ein Unterhemd und eine kurze Shorts anhatte. Und obwohl er sie schon in viel weniger gesehen hatte, fühlte sie sich plötzlich unwohl. Sie griff sich die Wolldecke vom Sofa, schlang sie wie ein Cape um sich und setzte sich schließlich.
    »Vorhin lief ein Song im Radio, den ich seit meiner Kindheit nicht mehr gehört habe«, begann sie und blickte dabei an ihm vorbei zur Stereoanlange. »I say a little Prayer von Aretha Franklin. Kennst du den?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Den hat meine Mutter sechs Monate lang, jeden Tag gespielt. Jeden einzelnen Tag, den meine Schwester verschwunden war, hat sie diesen Song rauf und runter gespielt. Bis Kelly wieder da war.«
    »War sie weg gelaufen?«, fragte er leise. Sie schüttelte den Kopf.
    »Entführt.«
    Er stieß einen Pfiff aus. »Ich habe nicht einmal gewusst, dass du eine Schwester hast.«
    »Wir haben kein besonders gutes Verhältnis seit damals. Und irgendwie habe ich auf einmal das Bedürfnis mit ihr zu reden. Über damals.«
    »Was hält dich davon ab?«
    Sie stand auf und schüttelte den Kopf. »Es ist so kompliziert. Und ich wünschte, ich könnte es dir sagen, könnte es irgendwem sagen, aber...«
    »Aber?«
    »Es geht nicht. Ich habe schon zu viele Versprechen gebrochen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir folgen kann.«
    Sie lächelte. »Nicht so wichtig.«
    Er griff nach seinem Handy aus der hinteren Hosentasche und hielt es ihr hin. »Ruf sie an.«
    Sie zögerte; blickte auf ihre Armbanduhr. Es war kurz vor Mitternacht. Eigentlich nicht die richtige Uhrzeit jemanden anzurufen. Schon gar nicht die eigene Schwester, die nicht gut auf einen zu sprechen war.
    Drei Minuten später saß sie auf dem Badewannenrand und wählte mit zittrigen Händen die Nummer ihrer Schwester.
    Nach dem zehnten Freizeichen ging die Mailbox ran. Enttäuscht und erleichtert zugleich unterbrach Megan die Verbindung. Dann ging sie zum Spiegel und betrachtete ihr verheultes Gesicht, wusch sich kurz und überlegte, ob sie wollte, dass Tim über Nacht blieb. Die Entscheidung war schnell gefallen. Doch als sie aus dem Badezimmer trat, stand er bereits vor der Haustür, die Hand am Türgriff.
    »Ich muss morgen um sieben Uhr wieder in diesem blöden Kurs sitzen. Ich müsste um vier Uhr aufstehen und dich vermutlich wecken, wenn ich hier bliebe.«
    »Das ist mir egal«, sagte sie, ging einen Schritt auf ihn zu und zog dabei ihr Shirt aus. »Ich habe das Gefühl, dass ich sowieso nicht schlafen werde.« Dann schlang sie ihre Arme um seinen Körper, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und zog ihn Richtung Schlafzimmer.
     
     
     

15
     
    Es roch nach einem blumigen Parfum, das Chloe in der Nase kitzelte, nach Mottenkugeln, Rotwein und Nikotin. Doch die verschiedenen Gerüche konnten nicht vollständig das Muffig-Feuchte des Kellers überdecken. Paul hatte sie durch die Waschküche in eine angrenzende Nische geführt, in der ein Etagenbett stand. Auf dem Fußboden daneben lag eine Matratze, auf der eine dunkelhäutige Frau schlief. »Wach auf! Wir haben

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