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Ein Kind, das niemand vermisst

Ein Kind, das niemand vermisst

Titel: Ein Kind, das niemand vermisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kody DeVine
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»Hast sie mal von Freunden aus dem Internet geredet?«
    »Sie durfte nur ganz selten an den Laptop von ihrem Dad. Manchmal hat sie mit Leuten gechattet.«
    »Hat sie mehr über diese Leute erzählt?«
    Olivia schüttelte den Kopf.
    »Hast du eine Idee, wo sie sein könnte, wenn sie nicht in ihrem üblichen Versteck ist.«
    »Nein. Bitte finden Sie sie, ja?«
    Barton schob den Stuhl zurück. »Vielen Dank, Olivia. Du warst eine große Hilfe. Ich hoffe dein Arm ist bald wieder okay.«
    »Übermorgen darf ich nach Hause.« Mit dem gesunden Arm winkte sie ihm zu, als er die Tür hinter sich schloss.
     

    Es war kurz nach zwanzig Uhr, als Megan ihre Wohnungstür aufschloss und das dampfende Chicken Tikka Masala aus dem Imbiss gegenüber in die Küche trug. Sie schnappte sich die angebrochene Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank, goss sich ein großzügiges Glas ein und setzte sich dann mit ihrem Mahl auf die Couch. Nach kurzem herum zappen, schaltete sie den Fernseher wieder aus und griff nach der Fernbedinung für die Stereoanlange.
    Im Radio wurde I say a little Prayer von Aretha Franklin gespielt. Für einen kurzen Moment saß sie wie versteinert da. Bildfetzen tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Ihre Mutter weinend am Küchentisch sitzend. Ein Polizeibeamter unterhielt sich mit gedämpfter Stimme mit seiner Kollegin direkt daneben. Megans Vater, der mit Tränen in den Augen aus dem Fenster starrte. Schuhe, bunte Gummistiefel, die gegen eine Wand traten. Hände die nach ihr-Megan- griffen und sie von der Wand weg zerrten, Stimmen, die sie beruhigen sollten, doch die sie nicht verstehen konnte.
    Hektisch suchte Megan die Couch nach der Fernbedienung ab. Sie war hinter ein Kissen gerutscht. Mit zittrigen Händen tastete sie nach dem Power-Schalter. »Aus, aus aus!«, zischte sie.
    Erst als die Musik verstummte, merkte sie, wie angespannt sie war. Ihr Rücken schmerzte und in ihrer rechten Wade kündigte sich ein Krampf an. Vorsichtig erhob sie sich und ging ein paar Schritte im Raum umher. Die aufsteigende Übelkeit versuchte sie mit Atemübungen zu bekämpfen, die sie in einem Abendkurs vor langer Zeit gelernt hatte. Um ihren Stress zu reduzieren. Doch genützt hatten diese Übungen damals kaum. Und auch jetzt verspürte sie keine Besserung. Im Gegenteil, statt eine beruhigende Wirkung setzte eine Schwindelattacke ein. Megan schwankte zur Seite, stieß mit dem Ellbogen gegen die Couchlehne, versuchte irgendwo Halt zu finden und fand sich schließlich auf allen Vieren auf ihrem Teppich wieder. Als sie sich hochrappelte, schmeckte sie die salzigen Tränen auf ihren Lippen. Leicht schwankend ging sie ins Schlafzimmer, ließ sich aufs Bett fallen und griff nach dem schnurlosen Telefon auf dem Nachttisch.
    Einen Moment lang zögerte sie, dann drückte sie die Kurzwahltaste, hielt den Hörer fest an ihr Ohr gepresst und versucht ruhig zu atmen.
    »Wincott« 
    »Hi Tim!« Sie biss sich auf die Zunge, als sie das Zittern ihrer Stimme spürte.
    »Megan?«
    Ihr Hals wurde trocken und sie versuchte mühsam die angestauten Tränen wegzublinzeln.
    »Hast du...« Sie räusperte sich, versuchte ihrer Stimme mehr Halt zu verleihen. »Glaubst du manchmal, dass das alles einen Sinn hat, was wir tun?«
    »Megan, weinst du?«
    »Nein.« Sie schluckte, richtete sich auf und wischte sich mit der freien Hand die Tränen aus dem Gesicht. »Wie ist der Urlaub?«, fragte sie eine Spur zu fröhlich.
    »Ich bin auf Fortbildung, schon vergessen? Ich habe erst ab nächster Woche Urlaub. Megan, was ist los?«
    »Hast du mit jemanden auf dem Revier gesprochen?«
    »Nein, ist alles sehr stressig hier. Laufend werden die Räume gewechselt und Kurse, die sowieso kein Mensch braucht, fallen aus. Ich bin ehrlich gesagt auch froh, etwas Abstand vom Revier zu bekommen.«
    »Vom Revier, oder von mir?«
    Sie hörte ein Seufzen am anderen Ende der Leitung und versteifte sich.
    »Megan-«
    »Nein, vergiss es. Tut mir leid. Ich hätte nicht anrufen sollen.«
    »Was ist denn eigentlich los?«
    »Ich hatte eben eine Panikattacke. Ich weiß auch nicht. Irgendwie ist alles...ach verdammt. » Sie legte auf und brach in Tränen aus, wickelte sich in ihre Bettdecke ein und ließ sich schluchzend zurück fallen.
     
    Sie war gerade eingeschlafen, als es an der Wohnungstür klingelte. Orientierungslos tastete Megan auf dem Nachttisch nach dem Lichtschalter und fand ihn nicht. Stattdessen fiel der Radiowecker zu Boden. »Mist! Ja ja, ich komme ja schon!«, rief sie,

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