Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
hatte.
    Kürzlich war am Quai d’Orsay ein Todesfall eingetreten; der Chef einer wichtigen Abteilung war einem Herzanfall erlegen. Das Amt war voller Vermutungen darüber, wer ihn ersetzen werde. Jules war einer von denen, die für diese Stellung in Frage kamen, und doch...
    Es betrübte Madame Colbert fast bis zur Verzweiflung, zu sehen, wie seine Schwungkraft aus früheren Jahren unter der Last des Pessimismus wieder hervorbrechen wollte. Er wagte von neuem zu hoffen, selbst gegen all die politische Korruption, die seine Hoffnungen wiederum zunichte und ihn zu einem alten, gebrochenen Mann machen würde.
    Das war die Bürde, die Madame Colbert mit sich herumtrug. Sie hatte ihrem Mann geholfen, indem sie arbeitete, ihm einen Teil der finanziellen Schwierigkeiten abnahm und sich auf diese Weise ihre Stellung in dem großen Modeatelier aufbaute. Doch nun erkannte sie, daß das nicht genug gewesen war und daß sie auf andere Weise versagt hatte. Die Frau eines Diplomaten oder Politikers muß selber Diplomatin oder Politikerin sein, einen Salon führen, in den sie die Großen und Gernegroßen einlud; sie hätte locken, schmeicheln, intrigieren und sich sogar, wenn es nötig wurde, selbst hingeben müssen, um die Interessen ihres Mannes zu fördern. Und jetzt war die ideale Gelegenheit für eine solche Unterstützung gekommen; wieder einmal sollte das Glückslos dem rechten Mann zufallen, und sie hatte keine Möglichkeit, das Los so zu beeinflussen, daß es Jules in den Schoß fiel.
    In den Kreisen, mit denen sie hier zusammentraf, gab es niemand, der sich auch nur im mindesten für ihren Gatten interessiert hätte.
    Dieses Wissen machte Madame Colbert fast wahnsinnig vor Elend, denn sie liebte ihren Mann und konnte es nicht mit ansehen, wie er vernichtet wurde, doch ebensowenig konnte sie das Geringste dazu tun, um es zu verhindern und das in seinem Dasein immer wiederkehrende Unglück abzuwenden. Nachts lag sie wach und zermartete sich das Hirn, um einen Weg zu finden, wie sie ihm helfen könne. Und tagsüber wurde sie immer stärker davon überzeugt, daß ihre Bemühungen vergeblich waren, und so übertrug sich ihre Bitterkeit auf das Leben ihrer täglichen Arbeit und fing bereits an, die Menschen in ihrer Umgebung zu beeinträchtigen. Sie selber bemerkte diese Veränderung durchaus; doch sie schien in einer Art Alpdruck umherzugehen, a us dem sie nicht zu erwachen vermochte.
    Einer von Madame Colberts Vorzügen war ihre unbedingte Urteilskraft in der Abschätzung der Qualitäten von Leuten, die Kunden oder Auftraggeber werden wollten; sie schied die echten von denen, mit denen man nur Zeit verschwendete; sie drang durch das Äußere der Sonderlinge bis zu dem Banknotenbündel in der Tasche. Doch diese Frau, die da in dem abgetragenen, schäbigen Mantel, mit Handschuhen in der falschen Farbe, Schuhen, die nur allzu offen ihre Herkunft verkündeten, der schrecklichen Plastikhandtasche und dem geradezu absurden Hut mit der wippenden Rose die Treppe heraufkam, machte ihr das unmöglich.
    Rasch durchlief Madame Colberts Geist alle Arten von Kunden, die sie jemals gesehen und gekannt hatte. Wenn dieses Wesen das war, wonach es aussah — eine Putzfrau (und hier sieht man, welch wunderbaren Instinkt Madame Colbert besaß) — dann hätte sie den Hintereingang benutzt. Aber das war natürlich albern, weil hier das Saubermachen abends, nach den Geschäftsstunden, erfolgte. Unmöglich war es jedoch, daß dies eine Kundin des Hauses Dior war oder werden könnte.
    Und doch wartete sie, bis die Frau sprach, da sie wußte, wie sehr sie von ihren eigenen Problemen aus dem Gleichgewicht gebracht worden und ihr Urteilsvermögen dadurch vielleicht getrübt war.
    Sie brauchte nicht lange zu warten.
    «Ach, na endlich, meine Liebe», sagte die Frau, «könnten Sie mir wohl sagen, wo’s zu den Kleidern geht?»
    Madame Colbert zweifelte nicht mehr an ihrer Urteilskraft. Solch eine Stimme und dieser Akzent waren in den Wänden des Hauses Dior seit seiner Gründung niemals vernommen worden.
    «Die Kleider?» fragte Madame Colbert in eisigem und makellosem Englisch. «Welche Kleider?»
    «Na aber, aber, Schatz», sagte Mrs. Harris mit sanftem Vorwurf, «Sie haben wohl heut morgen ‘ne bißchen lange Leitung? Wo hängen hier die Kleider, die verkauft werden?»
    Einen Atemzug lang glaubte Madame Colbert, diese sonderbare Person habe sich vielleicht verlaufen, als sie den kleinen Laden unten suchte. «Falls Sie die Boutique meinen...»
    Mrs.

Weitere Kostenlose Bücher