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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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erwerben, in Paris Mittag zu essen, sich ein wenig in der Stadt umzusehen und mit der Abendmaschine zurückzufliegen.
    Alle ihre Kunden waren von dem ungewöhnlichen Ereignis benachrichtigt worden, daß sie einen Tag freinehmen wolle, und hatten ihrem verschiedenen Charakter und ihrer Veranlagung entsprechend darauf reagiert. Major Wallace hatte natürlich seine Bedenken, da er ohne Mrs. Harris’ Unterstützung nicht einmal ein sauberes Handtuch oder ein Paar Socken zu finden vermochte, und die Schauspielerin, Miss Pamela Penrose, schlug entsetzlichen Lärm und stürzte sich auf die kleine Reinmachefrau: «Das ist gemein von Ihnen! Unmöglich ist das, ganz und gar unmöglich. Das lasse ich mir nicht gefallen! Schließlich bezahle ich Sie ja! Morgen kommt ein bedeutender Regisseur zum Cocktail her. Aber ihr Scheuerfrauen seid eben alle gleich. Immer nur an euch selber denken! Nach allem, was ich für Sie getan habe, könnten Sie wirklich ein klein wenig Rücksicht auf mich nehmen.»
    Einen Augenblick lang war Mrs. Harris versucht, zur Besänftigung zu erklären, wohin und warum sie fortmüsse — doch sie widerstand. Die Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Kleid von Dior war vertraulich. Statt dessen sagte sie beschwichtigend: «Aber, aber, Herzchen, deshalb brauchen Sie doch nicht gleich aus dem Häuschen zu geraten. Mrs. Butterfield, meine Freundin, wird morgen auf dem Heimweg bei Ihnen hereinschauen und die Wohnung hübsch aufräumen. Ihr Regisseur wird den Unterschied überhaupt nicht merken. Hoffentlich verschafft er Ihnen eine gute Stelle, Herzchen», schloß sie munter und verließ die finster schmollende Miss Penrose.

Sechstes Kapitel

    Alle Gedanken an die Schauspielerin, ja all die schweifenden Erinnerungen an die Vergangenheit waren schlagartig ausgelöscht, als die Taxe mit einem Ruck und mit quietschenden Bremsen dort hielt, wo das Ziel ihrer Wünsche liegen mußte.
    Das große graue Gebäude, das Haus Christian Dior, nimmt eine ganze Ecke der breiten Avenue Montaigne ein, die vom Rond Point der Champs-Elysées ausgeht. Das Gebäude hat zwei Eingänge, einen von der eigentlichen Avenue durch die Boutique, in der modische Kleinigkeiten und Accessoires zum Preise von fünf bis hundert Pfund verkauft wurden, und einen versteckteren, exklusiveren.
    Der Chauffeur hielt es für richtig, Mrs. Harris am zweiten abzusetzen, an dem, der der wirklich reichen Kundschaft Vorbehalten war, weil er glaubte, sein Fahrgast sei mindestens eine englische Gräfin oder Mylady. Er berechnete ihr nicht mehr, als die Uhr anzeigte, und begnügte sich damit, ein Trinkgeld von fünfzig Frank aufzuschlagen, da er die Warnung des Mannes von der Luftfahrtgesellschaft nicht vergessen hatte. Dann rief er ihr fröhlich die einzigen englischen Worte zu, die er kannte, «How do you do», fuhr davon und ließ sie auf dem Bürgersteig vor dem Haus stehen, das seit drei Jahren das Ziel ihres Sehnens, Verlangens und ihrer Träume war.
    Ein seltsam beunruhigender Zweifel regte sich in der schmalen Brust unter dem braunen Regenmantel. Es war gar kein Laden wie Selfridge auf der Oxford-Street oder wie Marks & Spencer, wo sie ihre Einkäufe machte, überhaupt kein richtiges Geschäft mit Schaufenstern zum Ansehen und Wachspuppen mit perlengleichem Lächeln und rosigen Wangen, mit elegant ausgestreckten Armen, um die Kleider zur Geltung zu bringen, die zu verkaufen waren. Nichts war da, gar nichts außer ein paar Fenstern, von grauen Stoffalten verhängt, und einer Tür mit einem Eisengitter hinter dem Glas. Freilich waren in dem Stein über dem Türbogen die Worte CHRISTIAN DIOR eingemeißelt, aber das war auch alles.
    Wenn man etwas so heiß und so lange begehrt hat wie Mrs. Harris ihr Pariser Kleid und wenn dieses tief weibliche Verlangen nun endlich die Süße der Erfüllung auskosten soll, dann gräbt sich jeder, auch der geringfügigste Umstand klar und unauslöschlich ins Gedächtnis ein.
    Als Mrs. Harris nun so allein in einer fremden Stadt, von dem fremden Dröhnen eines fremden Verkehrs und der fremden Geschäftigkeit fremder Passanten überfallen, vor dem großen und grauen herrschaftlichen Gebäude stand, das wie ein Wohnhaus und nicht wie ein Geschäft aussah, fühlte sie sich plötzlich einsam, verängstigt und verloren, und trotz dem dicken Bündel silbergrüner amerikanischer Dollarscheine in ihrer Handtasche wünschte sie einen Atemzug lang, daß sie gar nicht gekommen wäre oder wenigstens den jungen Mann von der

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