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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Salon ist für heute nachmittag besetzt.»
    Mrs. Harris’ Lippe begann zu zittern, und ihre kleinen Augen öffneten sich weit, als ihr die Katastrophe mit allen ihren Folgen klar wurde. Hier in diesem scheinbar leeren, feindseligen Gebäude, vor kalten, feindseligen Augen schien das Unvorstellbare eintreten zu sollen. Man schien sie nicht zu wollen, man schien nicht einmal ihr Geld zu wollen. Man wollte sie weghaben, zurück nach London schicken — ohne ihr Kleid von Dior.
    «Lieber Himmel!» schrie sie. «Habt ihr Franzosen denn gar kein Herz? Tim Sie doch nicht so vornehm und kalt! Haben Sie sich denn noch niemals etwas gewünscht, so glühend gewünscht, daß Sie am liebsten geweint hätten, wenn Sie daran dachten? Haben Sie denn niemals nachts wachgelegen, weil Sie sich etwas wünschten, und haben Sie niemals gezittert, weil Sie es vielleicht nie im Leben bekommen würden?»
    Wie ein Messer fuhren ihre Worte in das Herz von Madame Colbert, die Nacht um Nacht gerade das getan hatte: wachliegen und zittern in dem schmerzlichen Wunsch, etwas für ihren Mann tun zu können. Und die Qual dieses Stoßes zwang der Directrice einen kleinen Schrei ab. «Woher wissen Sie das? Wie haben Sie das nur ahnen können?»
    Ihre dunklen, unglücklichen Augen fingen sich plötzlich in den kleinen, lebhaft blauen von Mrs. Harris, in denen sich das erste Glitzern von Tränen zeigte. Ein Frau betrachtete die andere, und was Madame Colbert sah, erfüllte sie erst mit Abscheu und dann plötzlich mit Verständnis und Mitleid.
    Der Abscheu richtete sich gegen sie selber, gegen ihre Kälte und Gefühllosigkeit. Einen Atemzug lang schien es, als halte ihr diese seltsame kleine Frau einen Spiegel vor Augen, in dem sie sich selber sah: das Bild eines Menschen, der sich in seinen Schwierigkeiten allzusehr gehenläßt. Voller Scham dachte sie daran, wie sie sich Monsieur Fauvel gegenüber benommen hatte, und mit noch mehr Zerknirschung an ihr törichtes Geschimpfe mit den Verkäuferinnen und gar mit Natascha, dem Mannequin, die zu ihren Lieblingen gehörte.
    Vor allem war sie jedoch über die Erkenntnis erschrocken, daß sie sich so sehr von ihren eigenen Problemen hatte verhärten lassen, daß sie blind und taub geworden war für menschliche Not und für den Ruf, der aus einem bedrängten Herzen aufstieg. Woher diese Person auch kommen und wie ihr Lebenslauf auch gewesen sein mochte, sie war eine Frau mit allen weiblichen Wünschen; und als ihr das wie Schuppen von den Augen fiel, flüsterte sie: «Sie haben also Ihr Herz an ein Kleid von Dior gehängt?»
    Mrs. Harris wäre keine echte Vertreterin ihres Berufs gewesen, wenn sie es unterlassen hätte, zu erwidern: «Na, Sie merken aber auch alles.»
    Madame Colbert überhörte den Sarkasmus darin. Sie betrachtete nun den Haufen Geld und schüttelte verblüfft den Kopf. «Aber wie haben Sie nur...»
    «Geknausert und gespart», sagte Mrs. Harris, «drei Jahre lang. Aber wenn man sich etwas brennend genug wünscht, findet sich immer ein Weg. Ein bißchen Glück gehört natürlich auch dazu. Wie bei mir zum Beispiel: als ich hundert Pfund im Fußballtoto gewonnen hatte, sagte ich mir: , sagte ich, Und da fing ich an zu sparen, und nun bin ich soweit.»
    Wie ein Blitz durchfuhr Madame Colbert die Vorstellung, was Sparen für eine solche Frau bedeuten mußte, und eine Welle der Bewunderung für den Mut und die Tapferkeit dieser Person stieg in ihr auf. Wenn sie selber mehr von diesem Mut und dieser Beharrlichkeit bewiesen hätte, statt ihre Enttäuschung an unschuldigen und hilflosen Verkäuferinnen auszulassen, dann wäre es ihr vielleicht gelungen, etwas für ihren Mann zu tun. Sie strich sich mit der Hand über die Stirn und traf rasch eine Entscheidung. «Wie ist ihr Name, meine Liebe?» Als Mrs. Harris ihn ihr nannte, setzte sie ihn auf eine geprägte Karte, auf der stand, daß kein geringerer als Monsieur Christian Dior sich durch ihre Anwesenheit bei der Modenschau an diesem Nachmittag geehrt fühlen würde. «Kommen Sie um drei Uhr wieder», sagte sie und überreichte Mrs. Harris die Karte. «Es ist wirklich kein Platz, aber ich Ihnen auf den Stufen einen Platz schaffen, von dem aus Sie die Kollektion sehen können.»
    Aller Groll und Spott war aus Mrs. Harris’ Stimme geschwunden, als sie voller Entzücken auf ihre Eintrittskarte ins Paradies schaute. «Das ist aber wirklich reizend von Ihnen, Liebste», sagte sie. «Jetzt sieht es ganz so aus, als ob

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