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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Harris spitzte die Ohren. «Was für ein Bu...? Ich wollte in keine Butike, ich wollte zu den Kleidern, zu den teuren. Nehmen Sie sich mal’n bißchen zusammen, Liebste. Ich komme den weiten Weg von London hierher, um mir bei Ihnen ein Kleid zu kaufen, und hab nicht viel Zeit.»
    Nun war Madame Colbert alles klar wie die Sonne. Allzuhäufig kam ein Irrtum das große Treppenhaus heraufmarschiert, obwohl er noch niemals so offensichtlich und gespenstisch gewesen war wie dieser, und man mußte ihm mit Festigkeit begegnen. Die eigenen Schwierigkeiten und Enttäuschungen machten die Directrice kühler und unbarmherziger, als sie sonst unter solchen Verhältnissen war. «Sie sind hier leider am falschen Ort. Wir stellen keine Kleider aus. Die Kollektion wird nur nachmittags und nur privat vorgeführt. Vielleicht gehen Sie besser in die Galeries Lafayette...»
    Mrs. Harris war völlig fassungslos. «Was für eine Galerie?» fragte sie. «Ich wollte nicht in eine Galerie. Ist das hier Dior oder nicht?» Dann fiel ihr, ehe die Frau noch antworten konnte, etwas ein. Dem Wort Kollektion war sie in den Modenzeitschriften zwar schon begegnet, hatte jedoch geglaubt, es habe etwas mit Wohltätigkeit zu tun wie die Kollekten, die sonntags in der Kirche gehalten wurden. Nun durchstieß ihre angeborene Klugheit das Mysterium. «Wissen Sie», fuhr sie fort, «vielleicht ist es ja diese Kollektion, die ich sehen möchte, was ist da zu machen?»
    Madame Colbert, die sich wieder in das Elend ihrer eigenen Gedanken versenken wollte, packte die Ungeduld. «Es tut mir leid», sagte sie kalt, «der Salon ist für heute nachmittag und für den Rest der Woche besetzt.» Um die Besucherin endlich loszuwerden, benutzte sie die übliche Formel: «Wenn Sie mir die Adresse Ihres Hotels geben wollen, können wir Ihnen vielleicht nächste Woche eine Einladung schicken.»
    Gerechter Zorn flammte im Busen von Mrs. Harris auf. Sie trat einen Schritt näher auf Madame Colbert zu, und die rosa Rose, die vom an ihrem Hut befestigt war, tanzte heftig, als Mrs. Harris rief: «Das ist ein Witz, mein Täubchen! Mir nächste Woche eine Einladung schicken! Damit ich mein sauer mit Scheuem und Moppen verdientes Geld dann bereits ausgegeben hab! Glauben Sie vielleicht, daß ich mir dafür die Hände im dreckigen Abwaschwasser kaputtmache? Noch dazu, wo ich heut nacht wieder in London sein muß! Nein, nein! Das könnte Ihnen so passen!»
    Die Rose tanzte drohend, eine Spanne von Madame Colberts Gesicht entfernt. «Da, sehen Sie sich das an, Sie vornehme Schreibtischmamsell! Damit Sie nicht etwa glauben, ich hätte kein Geld für das, was ich haben will... HIER!» Dabei machte Mrs. Harris ihre Plastikhandtasche auf und kippte sie um. Das Gummiband, das das Notenbündel zusammenhielt, suchte sich genau diesen Augenblick aus, um zu platzen, und rief dadurch höchst dramatisch eine Kaskade von grünen Fünf-, Zehn- und Zwanzigdollarscheinen hervor. «Da!» Mrs. Harris’ Stimme hob sich bis zur Decke des hohen Raumes. «Ist das vielleicht nichts? Ist mein Geld vielleicht weniger wert als das von andern Leuten?»
    Völlig überrascht starrte Madame Colbert auf das erstaunliche und, um die Wahrheit zu sagen, wundervolle Bild und murmelte vor sich hin: «Mon dieu! Besser als das der meisten Leute.» Plötzlich fiel ihr der Streit mit dem jungen André Fauvel wieder ein, der sich über den Sturz des französischen Frank und über Kunden beklagt hatte, die ihre Rechnungen nicht bezahlten; und ironisch dachte sie, diese Barzahlungskäuferin würde ihm gewiß lieber sein. Es war nicht zu leugnen, daß der Dollarberg auf dem Schreibtisch gutes Geld war.
    Doch nun war Madame Colbert ebenso verwirrt wie verblüfft über die Erscheinung und das Verhalten dieser unheimlichen Kundin. Wie war eine Frau, die zugab, Fußböden zu scheuem und Geschirr zu waschen, um davon zu leben, zu soviel Geld gekommen — und noch dazu in Dollarnoten? Und weshalb in aller Welt wollte sie ein Kleid von Dior haben? Die ganze Geschichte war so undurchsichtig, daß sie nur zu Schwierigkeiten führen konnte. Es paßte alles nicht zusammen, und man wurde nicht klug daraus, und Madame Colbert hatte das Gefühl, gerade genug Schwierigkeiten zu haben, auch ohne daß sie sich noch mit dieser unmöglichen Engländerin zu schaffen machte, die mehr Geld bei sich hatte, als ihr zukam.
    Trotz des grünen Dollargebirges, das ihren Schreibtisch bedeckte, wiederholte Madame Colbert stahlhart: «Es tut mir leid, der

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