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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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mein Glück anhalten wolle.»
    Ein merkwürdiges Gefühl von Frieden durchdrang Madame Colbert, und ein seltsames Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie erwiderte: «Wer kann’s wissen, vielleicht bringen Sie auch mir Glück.»

Siebtes Kapitel

    An diesem Nachmittag befanden sich drei Menschen, deren Leben sich auf seltsame Weise miteinander verstricken sollte, ganz nahe beieinander in dem großen Treppenhaus des Ateliers Dior, das jetzt von Besuchern, Kunden, Verkäuferinnen, Angestellten und Journalisten wimmelte.
    Der erste dieser drei war Monsieur André Fauvel, der junge Oberbuchhalter. Er war blond und stattlich und sah recht gut aus trotz einer Narbe auf der Wange, die er ehrenhaft erworben und die ihm während seines Frontdienstes in Nordafrika eine militärische Auszeichnung eingetragen hatte.
    Bisweilen war er gezwungen, aus den eisigen Regionen seiner Haupt- und Kontenbücher im vierten Stockwerk in die Wärme der Atmosphäre von Parfums, Seide und Samt und von Frauen, die sie umhüllten, in den ersten Stock hinabzusteigen. Er begrüßte diese Anlässe und suchte sie sogar, weil er hoffte, einen Blick von seiner Göttin, dem Starmannequin, zu erhaschen, in die er verzweifelt und natürlich völlig hoffnungslos verhebt war.
    Denn Mademoiselle Natascha, wie sie bei Presse und Publikum in der Modewelt genannt wurde, war der gefeierte Liebling von Paris: eine dunkelhaarige, dunkeläugige Schönheit von ungewöhnlichem Reiz und eine Frau, die bestimmt eine glänzende Laufbahn im Film oder eine reiche und vornehme Heirat zu erwarten hatte. Jeder Junggeselle von einiger Bedeutung — die beträchtliche Zahl verheirateter Männer gar nicht zu erwähnen — machte ihr den Hof.
    Monsieur Fauvel stammte aus einer gutbürgerlichen Familie; er hatte eine gutbezahlte Stellung und besaß auch selbst ein kleines Vermögen, doch seine Welt war dem glänzenden Stern Natascha ebenso fern wie der Planet Erde dem großen Sirius.
    Er hatte Glück, denn eben jetzt erhaschte er einen Blick auf sie, wie sie da auf der Schwelle der Garderobe stand, bereit für die erste Nummer, die sie vorführen sollte: in einem Kleid aus flammendroter Wolle und, schräg auf dem schimmernden Haupt, einen flammendroten Hut. An ihrem Hals blitzte eine Diamanten-Schneeflocke, und über dem Arm trug sie lässig eine Zobel-Stola. Monsieur Fauvel glaubte, das Herz solle ihm stehenbleiben und nie wieder zu schlagen beginnen, so schön war sie und so unerreichbar.
    Als Mademoiselle ihre sanften, ernsten, weit auseinanderstehenden Augen unter halbgeöffneten Lidern umherschweifen ließ, sah sie Monsieur Fauvel und sah ihn doch nicht, da sie ein Gähnen zu ersticken versuchte, wobei eine Winzigkeit von ihrer roten Zungenspitze zum Vorschein kam. Denn um die Wahrheit zu sagen, sie fühlte sich mächtig gelangweilt. Nur wenige Menschen im Hause Dior kannten die wirkliche Individualität, geschweige denn die wahre Persönlichkeit dieser langbeinigen, hochbusigen, rabenhaarigen Niobe, die die Reichen und Berühmten anzog wie Fliegen.
    Ihr wirklicher Name war Suzanne Petitpierre. Sie kam aus einer kleinbürgerlichen Familie in Lyon und hatte das Leben, das ihr Beruf sie zu führen zwang, von Herzen satt: die endlosen Runden von Cocktail-Parties, Diners, Theater- und Kabarettveranstaltungen, zu denen sie Filmleute, Autofabrikanten, Stahlwerksdirektoren und Adlige begleiten mußte, weil sie alle mit dem bezauberndsten und meistfotografierten Mannequin der Stadt gesehen werden wollten. Doch Mademoiselle Petitpierre wollte am liebsten gar nichts von ihnen wissen. Sie erstrebte weder eine Laufbahn beim Film oder Theater, noch wünschte sie sich die Stellung einer Schloßherrin in einem vornehmen Chateau. Sie wollte nur eins: wieder in jenes Bürgertum zurückkehren, dem sie zeitweilig entflohen war, und aus Liebe irgendeinen schlichten, weder allzu hübschen noch allzu gescheiten, guten Mann heiraten, mit dem sie in einer behaglichen bürgerlichen Wohnung zur Ruhe kommen und sehr viele kleine bürgerliche Nachfahren zur Welt bringen konnte. Solche Männer gab es, das wußte sie, Männer, die nicht eitel, prahlerisch oder so überintellektuell waren, daß sie nicht mit ihnen Schritt zu halten vermochte. Aber irgendwie standen sie jetzt alle außerhalb ihres Bereichs. Selbst in diesem Augenblick, da so viele Menschen sie bewundernd ansahen, fühlte sie sich niedergeschlagen und unglücklich. Unklar erinnerte sie sich, den jungen Mann, der sie so eindringlich

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