Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
Schwiegervater?»
Und er antwortete darauf ebenfalls ohne Unterschrift:
«Um Gottes willen nein, es sei denn, wir wären zu einem Krieg bereit.»
Der Wahltag kam und ging, und an seinem Ende stand fest, daß die Kandidatin der Mittelpartei, Mrs. Ada Harris, den überwältigendsten Wahlsieg in den Annalen Londons davongetragen hatte.
Weitere erstaunliche Wahlresultate meldete Fairford Cross, wo zum erstenmal seit Menschengedenken der Kandidat der Labourparty mit einer Mehrheit von sechshundert Stimmen ins Unterhaus gewählt worden war. Lokale Auguren erklärten, daß die Wähler, verärgert über den konservativen Kandidaten, der unbeliebt war, ebenso wie über den der Mittelpartei, dem es gelungen war, während der Wahlkampagne mehrmals ins Fettnäpfchen zu treten, sich plötzlich daran erinnerten, daß sie Bad-ger, mit dem Spitznamen Onkel Bill, schon seit ihrer Kindheit kannten und liebten. In seiner Apotheke hatte er jungen Burschen, die Arzneien abholten, Lakritzenpastillen geschenkt, hatte Leute gratis ärztlich beraten, hatte Seifen- und Cremeproben verteilt, hatte unglückliche Liebe getröstet, hatte kleinere Wunden verbunden und Stäubchen aus Augen entfernt. Und in neu erwachter alter Liebe hatten sie ihn in Scharen gewählt.
In den Gesellschaftsspalten der Times und des Daily Telegraph stand am Tag nach der Wahl:
«Sir Wilmot und Lady Corrison haben sich auf ihrer Jacht Idris II zu einer ausgedehnten Kreuzfahrt in südliche Gewässer begeben. Briefe werden nicht nachgeschickt.»
Unter den Passagieren des BOAC-Düsenflugzeuges, Flug Nr. 103 nach New York, ab London zweiundzwanzig Uhr zehn, befanden sich Lord und Lady Rede, die Maharani von Jawalpur, der Atomwissenschaftler Wladimir Wulk und Mr. und Mrs. Joel Schreiber von der Intercontinental Television.
Die Feier anläßlich der Wahl von Mrs. Ada Harris zum Parlamentsmitglied im Hauptquartier der Mittelpartei von East Battersea war die längste und großartigste in ihrer Art. Die Herren Charles Smyce und Chatsworth-Taylor, Sir Wilmot Corrison und Mr. Philip Aldershot glänzten durch Abwesenheit. Anwesend dagegen waren achtzehn Rolls-Royce-Chauffeure in voller Montur sowie fast die gesamte Bevölkerung des Bezirks. Selbst Mrs. Butterfield erlag zum erstenmal in ihrem Leben einer Euphorie.
Und so seltsam es klingt, der einzige, der jetzt, da er Erfolg gehabt hatte, nicht ganz glücklich war und der in seinem tiefsten Inneren eine Angst verbergen mußte, die er selber nicht begriff, war John Bayswater.
11
Und so schnell wie Ada Harris am politischen Horizont erschienen war, so schnell verschwand sie auch wieder von der Bildfläche, wie ein Meteor, den man am Nachthimmel hell strahlen sieht, bis er in die Erdatmosphäre eintritt und sein Leuchten erlischt.
Immerhin war Mrs. Harris nach ihrer Wahl ein Zweitagewunder mit Presseinterviews, Fotos und Auftritten im Fernsehen. England hatte die Herausforderung jener Ausländer jenseits des Kanals damit gebührend beantwortet, daß es ihnen mit der Wahl einer robusten, aber ungebildeten Putzfrau ins Unterhaus eine Lektion in Demokratie verpaßte. Aber danach wurde sie fallengelassen. Die Geschichte war aus.
Wenn man eine Zeitlang in der Öffentlichkeit eine Rolle gespielt hat und dann plötzlich aus den Pressespalten verschwindet, dann ist das fast so, als wenn unter einem der Stuhl weggezogen wird. Man landet mit einem kräftigen Plumps auf seinem Hintern, mehr überrascht und empört als verletzt. Es war gut, daß Mrs. Harris die zwölf Tage zwischen der Wahl und dem Zusammentritt des Parlaments hatte, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden.
Sie war über die Schnelligkeit, mit der sie aus dem Scheinwerferlicht verschwunden war, weniger gekränkt als verwundert. Eitelkeit war noch nie ihr Problem gewesen, und niemandem, der ein so leidenschaftlicher Leser der Sensationspresse wie Ada Harris gewesen war, konnte es entgehen, wie unbeständig alles ist.
Es quälte sie nur, daß sie nicht wußte, was sie nun tun sollte, denn seit dem Augenblick, da die Ereignisse sie überrannt hatten und ihre Wahlkampagne hohe Wellen geschlagen hatte, war alles für sie getan worden: Man hatte Verabredungen getroffen, Tagespläne ausgearbeitet, sich um Einzelheiten gekümmert und für Transportmittel gesorgt.
Aber das alles hatten die freiwilligen Mitarbeiter getan, die jetzt, da ihre Aufgabe erledigt und die Feier vorüber war, verschwanden. Das Parteihaus in Battersea war plötzlich öde und verlassen. Ada Harris’
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