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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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folgte und ein Ringen mit einem Uniformierten, der aus dem gleichen Holz geschnitzt war: «Wen suchen Sie, Madam?»
    «Den Sekretär der Krone, wer das auch immer ist...»
    Der Polizist erkannte an ihrer Sprache ihre Herkunft. «Weswegen wollen Sie zu ihm, Muttchen?»
    Mrs. Harris wurde es nachgerade zuviel. «Um ihn um einen Impfschein zu bitten, Sie grober Klotz. Ich bin Ada Harris, Abgeordnete von Battersea, und ich will die Papiere haben, die mir das bescheinigen.»
    «Ei, verdammt», sagte der Polizist, plötzlich erwachend, «stimmt ja. Ich habe Ihr Bild in den Zeitungen gesehen. In diesem Irrgarten hier würden Sie ihn nie finden. Ich werde Sie hinbringen.»
    Er stellte einen anderen Mann an die Tür, und mit neuer Zuversicht trippelte sie nun an seiner Seite. Er blieb auch dabei, als der Sekretär der Krone einen großen Stapel Papiere durchsah, die schriftliche Bestätigung des Wahlleiters von Battersea fand, lächelte und ihr das Zertifikat ausstellte.
    «Und jetzt geben Sie das dem Türhüter am Eingang vom Unterhaus und lassen sich nicht von ihm dumm kommen», sagte der Polizist. «Es tut mir leid, daß ich grob war, Madam, und ich wünsche Ihnen viel Glück.»
    Der Türhüter am Eingang zum Unterhaus kam ihr jetzt, da sie den richtigen Ausweis hatte, nicht mehr dumm, und schon bewegte sie sich im Strom der anderen, tat, was sie taten, und erlebte zum erstenmal das alte Gepränge nicht als Zuschauerin, sondern als Beteiligte.
    Aber die meilenlangen dunklen Flure des Westminster Palastes mit den Hunderten von Zimmern, unzählbaren Treppen, der ein wenig modrige Geruch, das Getriebe, das Summen von Stimmen, das Schlurfen von Füßen, die Begrüßungen zwischen alten Freunden und alten Mitgliedern des Parlaments, die sich zu ihrer Wiederwahl gegenseitig beglückwünschten, das alles begann ihr bereits neue Angst einzuflößen.
    Der imposante Raum mit der Mahagonitäfelung, in dem das Parlament tagte, der nur etwa vierundzwanzig Meter lang ist und nicht groß genug, daß alle Mitglieder gleichzeitig dort sitzen können, erfüllte sie mit Ehrfurcht.
    Es roch nach Geschichte und nach gewaltigen Dingen, die hier in der Vergangenheit geschehen waren. Würde sie sich je hier zurechtfinden? Es war alles so anders, als sie es erwartet und sich vorgestellt hatte. Sie war sehr erregt und tief bewegt, als sich das Unterhaus zu der traditionellen, einmaligen gemeinsamen Tagung anläßlich der feierlichen Parlamentseröffnung ins Oberhaus begab, um dort die Thronrede der Königin zu hören.
    Sie war überwältigt von dem großartigen Ritual und all dem Pomp und Glanz der Herolde und Unterherolde, Erzbischöfe, Bischöfe und Richter in ihren prächtigen Roben, dem Funkeln der Brillanten an den Diademen prächtig gekleideter Gemahlinnen der Peers und den Uniformen und Orden der Mitglieder des Diplomatischen Korps. Und sie war dabei, sie erlebte das alles mit!
    Einen kleinen Augenblick lang konnte sie nicht dem triumphierenden Gedanken widerstehen: Wer hätte gedacht, daß Ada Harris aus Battersea, die Fußböden schrubbte und Aschenbecher leerte, einmal an einer so erlauchten Versammlung teilnehmen würde?
    Als strahlendes Licht auf die Königin fiel, die auf dem Thron saß und so klein und zart und fast erdrückt unter dem Gewicht ihrer Krone und in dem Festgewand mit der langen Samtschleppe wirkte und dabei so tapfer auf die prächtige Menge der Peers in ihren Hermelinen, die glänzenden Würdenträger in Uniformen, die hohen Beamten in Perücken und Roben blickte, war Mrs. Harris zu Tränen gerührt. Und während die beiden Häuser darauf warteten, daß Ihre Majestät ihre Rede begann, konnte Ada nicht den Ruf unterdrücken: «Gott, man muß sie lieben. Ist sie nicht das Schönste, was man je gesehen hat?» Worauf ihr von überall «Pst! Pst!» zugerufen wurde und tadelnde Blicke sie trafen, während der Mann neben ihr sich ihr zuwandte und sie mit ungläubigem Staunen musterte, als hätte er ein seltenes Insekt unterm Mikroskop. Aber sie war viel zu begeistert, viel zuviel Schönheit umgab sie, viel zuviel Wunderbares war in der großen gewölbten Halle mit ihren massiven Schnitzereien und ihren Wandgemälden, als daß sie sich hätte einschüchtern lassen. Es war ein historischer Tag, den sie ihr Leben lang nicht vergessen würde.
    Dennoch kehrte sie mit einer gewissen Erleichterung wieder in den Frieden und die behagliche Geborgenheit von Willis Gardens und zu den Menschen zurück, die ihre Sprache

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