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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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am Schwanz zog, und seine Leser genossen es ganz besonders, wenn er wie an diesem Morgen besonders heftig daran zog.
    In Fleet Street war man nicht so vergnügt, als die mit Luftpost nach London geschickten Exemplare des «Etoile» auf den Schreibtischen der Zeitungsgewaltigen erschienen. Dem Herausgeber des Daily Express fiel, als er den Artikel überflog, ein Name darin auf, der ihm seltsam bekannt vorkam. Darauf las er den Artikel von der ersten bis zur letzten Zeile, weil er es kaum glauben konnte, schlug dann mit der Faust auf seinen Schreibtisch und brüllte: «Dieser verdammte Bastard!»
    Er nahm den Telefonhörer ab. «Setzen Sie sich mit Robbins in Verbindung. Ich brauche schnellstens eine Übersetzung von ihm.»
    Zwanzig Minuten später erschien Robbins mit einem maschinegeschriebenen Blatt in der Hand, atmete schwer und sagte: «Für wen, zum Teufel, hält der Kerl sich?» Dem Herausgeber lief die Galle über, als er folgende Zeilen las:
    «Das genaue geistige Alter unserer geliebten Vettern jenseits des Kanals läßt sich vielleicht daran abschätzen, daß sie eine muntere, aber völlig ungebildete Putzfrau namens Ada Harris auf der Wahlbühne erscheinen lassen. Sie vertritt die angeblich wieder zum Leben erwachte Mittelpartei im Wahlbezirk East Battersea jenseits der Themse, kaum mehr als einen Steinwurf von der Pseudo-Intelligenz von Chelsea entfernt.
    Es ist nicht klar, ob diese von Politik begeisterte Mrs. Mop sich in jenem alten und exklusiven Herrenklub, dem , nur der Sorgen ihrer, wie allgemein bekannt, unterbezahlten Schwestern annehmen soll oder ob man damit rechnen kann, daß es durch ihre Anwesenheit dort zu einem großen Saubermachen kommt und die düstere wirtschaftliche und soziale Lage, in der sich die Briten im Augenblick befinden, dadurch ein wenig aufgehellt werden kann.
    Der Scherz, das Niveau eines Parlaments auf das Niveau einer Londoner Putzfrau zu bringen, ist zwar amüsant, verträgt sich aber schlecht mit den Absichten des Landes, dem Gemeinsamen Markt beizutreten, in dem europäische Nationen mit älterer und größerer Kultur solch einen Unfug als völlig unerträglich empfinden müssen.
    Diese harmlose Putzfrau, deren politische Philosophie von Maximen abgeleitet zu sein scheint, wie man sie in Longmans First Primer findet, wird natürlich bei der Wahl durchfallen. Ihre Kandidatur könnte man dagegen als ein Zeichen dafür deuten, wie tief das englische politische Denken gesunken ist.»
    Vor hundert Jahren hätte der Herausgeber mit purpurrotem Gesicht nach seiner Feder gegriffen und sie für seine Antwort in Gift getaucht. Jetzt griff der rotgesichtige Herausgeber nach seinem Diktaphon und brüllte hinein: «Leitartikel, Seite eins!» Der Artikel sollte wie eine Bombe einschlagen.
    Ähnliche Szenen spielten sich auch in anderen Zeitungsredaktionen ab, und am nächsten Morgen wurde die warnende Kolumne des Comte St. Juste zum meist verbreiteten literarischen Erzeugnis auf den Britischen Inseln, kommentiert von gehässigen Artikeln in lokalen und überregionalen Zeitungen, die von bloßem Spott bis zur wilden Wut reichten.
    Daily Express und Daily Mail tadelten patriotisch. Der Telegraph war sarkastisch, die Times historisch, indem sie darauf hinwies, daß vor dem Reformgesetz von 1832 (laut Lord Russells Erinnerungen) ein reicher und exzentrischer Peer, dem mehrere Wahlflecken ganz gehörten, einen der Kellner bei White, den er besonders schätzte, einen Mann namens Robert Mackreth, für einen Sitz im Unterhaus nominierte, den dieser dann auch erhielt und einnahm. Der Guardian veröffentlichte einen meisterlich geschriebenen, von Verachtung triefenden Artikel, und die Labourpresse betrachtete die bissigen Bemerkungen über eine Frau, die mit ihren Händen schaffte, als eine persönliche Beleidigung.
    Wenn noch niemals zuvor eine Einigung unter den verschiedenen politischen Richtungen hatte erzielt werden können, jetzt war die Nation geeint, und der Klassenkampf war vorübergehend aufgegeben worden, um den gemeinsamen Feind zu bekämpfen. Die Bewohner der Britischen Inseln hätten auf die Nachricht, daß de Gaulle in Dover, Folkestone oder einem anderen Kanalhafen an der Spitze einer Armada erschienen sei, nicht heftiger reagieren können als auf die Meldung in den Morgenzeitungen.
    Wie ein Lauffeuer breitete sich die Empörung aus, soweit Presse oder Radio reichten, von John O’Groats bis Lands End. Die BEA meldete die Streichung von Hunderten von Buchungen

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