Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
nach Paris. Französische Restaurants in Soho und in anderen Gegenden Londons berichteten von einem drastischen Rückgang des Geschäfts, und die Parfümtheke bei Harrods war praktisch verlassen. Das Kratzen von Federn war im ganzen Lande vernehmbar, weil Hunderte entrüsteter Leserbriefe an die Times geschrieben wurden.
    Worte wie diese oder ähnliche, vom Herrn des Hauses beim Aufschlagen seines Frühstückseies gesprochen, sind mindestens eine Million Mal gesagt worden: «Dieser verdammte Franzose! Für was, zum Teufel, hält er sich eigentlich? Uns braucht kein Ausländer zu sagen, was wir zu tun haben. Hier, hör dir das an... Wen kennen wir in East Battersea, Schatz, an den wir uns wenden könnten, damit er dieser Frau hilft?»

10

    Von diesem Augenblick an wurden Mr. Smyce und sein widerwilliger Satellit Chatsworth-Taylor vom Strudel der Reaktion auf St. Justes Kolumne und die Leitartikel weggespült.
    Sie wurden umgeworfen, überrollt und davongeschleudert, wie Schwimmer von riesigen Meereswogen an den Strand geworfen werden und dann halbertrunken im Sand liegenbleiben. Der Wahlagent konnte dem gewaltigen Strom aus Sympathie und Hilfe für Mrs. Ada Harris sowenig Einhalt gebieten, wie König Knut hatte erwarten können, daß das Meer seinen Befehlen gehorchte.
    Die aktiven Parteimitglieder dagegen, die zum erstenmal in ihrer eintönigen politischen Laufbahn etwas Mitreißendes erlebten, schwammen in beständiger Seligkeit. Mit Feuereifer sortierten sie eine wahre Flut von Einladungen, die an die im Augenblick populärste Frau in England ergingen.
    Empfänge und Soireen waren an der Tagesordnung. Man bat Mrs. Harris zur Eröffnung von Bazaren, zu Wohltätigkeitsveranstaltungen, um eine Ansprache bei einem Lunch. Sie mußte an immer mehr Versammlungen, Konferenzen und was sonst noch teilnehmen. Man hatte ihr einen Wagen mit Fahrer zur Verfügung gestellt, und sie raste nach einem auf die Minute festgelegten Zeitplan von einer Stelle zur anderen und erregte unterwegs fast so viel Aufmerksamkeit wie die Beatles. Keine Zeitung riskierte es, auch nur einmal zu erscheinen, ohne ein Bild von ihr zu bringen, so daß ihre kleine Gestalt, ihr Gesicht unter den grauen Locken, die jetzt vor Erregung immer roten Apfelbäckchen und ihre kleinen, listigen, von Eifer und Begeisterung glühenden Augen den Londonern ein so vertrauter Anblick wurden wie die königliche Familie.
    Und tatsächlich applaudierten Vorübergehende ihr wie einer Königin, wenn ihr Auto im Verkehr steckenblieb, und riefen:
    «Wir sind für dich, Ada. Halt durch. Wir werden es diesen verdammten Franzosen zeigen!»
    Mrs. Butterfield hatte gar nicht gewußt, was sie sagte, als sie ihre Freundin eine Berühmtheit genannt hatte. Man mußte schon sagen, sie war superberühmt, und das, was sie erlebte, war einer jener phantastischen Übernachtaufstiege zu Ruhm, bei denen das Opfer von den Horden fast bei lebendigem Leibe verschlungen wird.
    Die Schreibers, der Marquis und Bayswater beobachteten das Phänomen mit Ehrfurcht, in die sich, jedenfalls bei dem Botschafter, eine beträchtliche Angst mischte. Sein Schwiegersohn war etwas weitergegangen, als er es selber gewagt hätte. Die Schreibers waren betrübt darüber, daß es ihnen nur gelungen war, Mrs. Harris in einer einzigen ihrer Fernsehsendungen auftreten zu lassen, ohne zu merken, daß das vollauf genügt hatte. Bayswater wünschte, daß der Marquis, wenn er dahintersteckte, etwas weniger hart in seinen Bemerkungen über die Qualifikation seiner Freundin gewesen wäre. Obwohl er ein eingefleischter Junggeselle war, hatte Bayswater plötzlich zärtliche Gefühle Mrs. Harris gegenüber, und er wollte nicht, daß man ihr wehtat. Er fürchtete, die Erwähnung ihrer mangelhaften Bildung könnte sie verletzen.
    Er hätte sich deswegen keine Sorgen zu machen brauchen, denn Mrs. Harris nahm es im Gegenteil fast als ein Kompliment, daß sie trotz ihrer mangelhaften Schulbildung drauf und dran war, im Wettstreit mit allen englischen politischen Genies der Neuzeit zu treten.
    Weniger entzückt über die plötzliche und erstaunliche Wendung der Ereignisse war Sir Wilmot Corrison, der sich jetzt von dem Angriff des rachsüchtigen Virus zu erholen begann. Obwohl der Arzt ihm strenge Ruhe verordnete und ihm empfahl, sich in keiner Weise zu strapazieren, drang die Erregung, die durch die Kandidatur von Mrs. Harris und den heimtückischen Angriff auf sie von jenseits des Kanals hervorgerufen worden war, in sein

Weitere Kostenlose Bücher