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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Krankenzimmer.
    Es gelang ihm, Charles Smyce telefonisch zu erreichen. Er wünschte von ihm zu wissen, was vorging und warum man seine Anweisung nicht befolgte, die Wahlkampagne so zu führen, daß die Labourparty nicht mehr als einen Teil ihrer Stimmen verlieren würde.
    «Das weiß ich auch nicht, Sir», erwiderte Smyce. «Ich glaubte, Sie führten die Kampagne.»
    «Ich führte sie?» rief Sir Wilmot empört. «Ich habe hier todkrank gelegen. Sie hatten Ihre Anweisungen.»
    «Nun, ich glaubte, Sie hätten Ihren Chauffeur jeden Abend herumgeschickt, damit er und seine Kollegen von Haus zu Haus gingen, um für Mrs. Harris Propaganda zu machen.»
    «Mein Chauffeur? Sind Sie verrückt?»
    «Ein Mann namens Bayswater. Sie bringen die Konservativen um den Wahlsieg.»
    «Dann tun Sie etwas dagegen», befahl Sir Wilmot.
    «Was kann ich tun?» erwiderte Charlie Smyce. «Er ist Ihr Chauffeur.»
    Sir Wilmot war über diese Logik so verblüfft, daß ihm die Impertinenz seines «Dieners» entging, und er sagte: «Und was ist mit diesen Fernsehauftritten? Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen Sie nicht im Fernsehen auf treten lassen.»
    «Ich habe damit nichts zu tun, Sir.»
    «Wohl auch mein Chauffeur?»
    «Nein, Sir. Aber ich habe mich erkundigt. Es ist ein Amerikaner, der dahintersteckt. Er ist herübergekommen und hat sie zur Mitwirkung in der Sendung eingeladen. Wir konnten nichts dagegen machen. Die Show gehört ihm.»
    «Ein Amerikaner?» rief Sir Wilmot. «Wer? Wie heißt er? Was hat er sich da einzumischen?»
    «Er ist ein großes Tier beim Fernsehen. Heißt Schreiber.»
    «Hören Sie, Smyce, er mag sein, was er will, dies alles muß jedenfalls aufhören.»
    Mr. Smyce konnte im Ton seiner Stimme Befriedigung nicht unterdrücken, als er sagte: «Bedaure, Sir, aber ich fürchte, wir haben das nicht mehr in der Hand. Man kommt an die Person nicht mehr heran.»
    Sir Wilmot legte gerade den Hörer wieder auf, als die Krankenschwester hereinkam und schalt: «Was haben Sie gemacht, Sir Wilmot? Sehen Sie sich mal die Farbe Ihres Gesichts an. Sie sind ja ganz feucht und kalt!»
    Es stimmte, das Gespräch mit Smyce hatte in ihm das sehr unangenehme Gefühl geweckt, daß unbekannte Kräfte sich gegen ihn verschworen hatten: sein eigener Chauffeur, ein Amerikaner, von dem er noch nie gehört hatte, und schließlich dieser seltsame Angriff in der französischen Zeitung, der so sehr im richtigen Augenblick erschienen war, daß es kein Zufall sein konnte. Er hatte die dunkle Ahnung, daß eine Katastrophe unvermeidbar war.
    Mrs. Harris war zu einer bekannten Figur geworden. Ihr Slogan «Leben und leben lassen» war in aller Munde, und ihre Philosophie schien plötzlich nicht nur für East und West Battersea und die benachbarten Wahlbezirke Clapham, Tooting, Belham, Wandsworth und Bermondsey eine Verheißung zu sein, sondern für die ganze Welt, die dringend irgendein Kopfschmerzpulver brauchte, auch wenn es sich als Beruhigungspille erweisen sollte. Fast jeder war sich darüber klar, daß aus dem allem nichts werden würde, aber es war so schön zu träumen. Über Nacht wurde Mrs. Harris die Kandidatin Utopias. Sie stellte munter solche Behauptungen auf wie: «Kommunisten sind schmutzig und ungewaschen; die Ostermarschierer sind ungewaschen und dreckig, und darum sind Atomwaffengegner Kommunisten.» Und schon am nächsten Tage war das in aller Munde.
    Natürlich glaubten wenige an so naive Simplifizierungen, aber sie gingen angenehm ins Ohr.
    Jede andere Frau wäre unter der Routine, die Mrs. Harris jetzt aufgezwungen wurde, und dem Drängen von allen Seiten zusammengebrochen. Aber für eine echte Londoner Putzfrau, die daran gewöhnt war, mit ihrer Arbeit morgens um sieben zu beginnen und dann dreizehn Stunden hintereinander zu putzen, zu schrubben, zu bohnern, zu fegen, Staub zu wischen, Geschirr zu spülen, Möbelstücke hin und her zu schieben, unter Betten zu kriechen und Leitern hinaufzusteigen, um in die Ecken an der Decke zu gelangen, waren dies praktisch Ferien. Außerdem war Mrs. Harris trotz ihrer zierlichen Erscheinung aus Stahl und Leder.
    Und so rückte der Wahltag immer näher.
    Drei Tage bevor das englische Volk zu den Urnen eilte, um seinen souveränen Willen kundzutun, bekam der Marquis de Chassagne, der gerade im Begriff war, auf seinen Posten in Washington zurückzukehren, ein Telegramm ohne Unterschrift aus Paris. Beim Lesen lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Es lautete:
    «Brauchst du noch eine Dosis,

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